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5942 Euro brutto für den Trompeter

Illustration: Lucia Götz

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Das bleibt im Kopf

Das schlimmste Erlebnis meiner Karriere war wahrscheinlich ein Probespiel, quasi das musikalische Pendant zu einem Vorstellungsgespräch. Eigentlich kann ich gut mit Nervosität und Lampenfieber umgehen. Bei diesem Vorspiel aber kamen nur die ersten sechs Töne perfekt, den siebten kratzte ich an. Ich traf ihn zwar, aber er war mir nicht sauber genug. Plötzlich begann ich darüber nachzudenken, wie man eigentlich noch mal Trompete spielt, versemmelte den nächsten Ton und den übernächsten dann so richtig. Ich geriet in einen Teufelskreis, die Töne wurden immer schiefer, ich immer unruhiger und es passierte, was einem Trompeter nicht passieren darf: Mein Atem wurde flach und der Mund trocken. Irgendwann kam nur noch ein Rauschen aus der Trompete. Es war furchtbar. Am Ende sagte das Auditorium etwas verfrüht, aber freundlich: „Danke!“, ich schluckte heftig und verschwand ganz schnell von der Bühne. 


Aber zum Glück gibt es viel mehr schöne Momente in meinem Beruf. Da fühlt es sich manchmal an, als könnte man fliegen. Vielleicht klingt das etwas dämlich, aber ich kann es nicht besser beschreiben. Zum Beispiel als ich das erste Mal in den Reihen eines riesigen Orchesters die fünfte Sinfonie von Gustav Mahler spielte. Ich liebe dieses Werk und es war ein hochemotionaler Moment für mich, weil ich plötzlich so dankbar war, es selbst spielen und Teil dieses Apparats sein zu dürfen. So extreme Glücksgefühle hat man natürlich nicht immer beim Musikmachen. Aber ab und zu packt einen dieses wunderbare Gefühl, das für alle Anstrengungen entschädigt.

Wie mein Berufsleben aussieht



Ich habe keinen richtigen Alltag als Trompeter. Vereinfacht könnte man sagen: Ich probe unter der Woche und spiele am Wochenende Konzerte. Einfach ist es aber eigentlich gar nicht, denn natürlich verschiebt sich auch mal etwas im Zeitplan. Außerdem habe ich neben meiner Festanstellung auch andere Projekte am Laufen, die viel Zeit kosten. Ich spiele zum Beispiel in kleinen Ensembles, mit denen ich viel unterwegs bin. Vergangene Woche habe ich Freitag und Samstag noch in Berlin gespielt, sonntags dann mit einem Ensemble in Basel und Montagmorgen wieder an einem anderen Ort in Berlin geprobt. Ansonsten helfe ich auch in anderen Orchestern aus, wenn ein Trompeter ausfällt.



Wie ich dort hingekommen bin

Ich wusste schon mit vier Jahren, dass ich Trompete spielen möchte. Inspiriert hat mich mein Vater, der selbst mit Posaune und Tenorhorn als Musiker gearbeitet hat.

Nach dem Abi begann ich in Hannover Trompete zu studieren. Diesmal mit allem drum und dran, auch theoretischen Fächern, obwohl im Fokus immer das Üben an der Trompete stand. Ich wurde fleißiger und übte jeden Tag viele Stunden lang. Daneben spielte ich regelmäßig in einem bayerischen Berufsorchester. Dort lernte ich Dinge, die man in einem Jugendorchester nicht lernt: Zum Beispiel wie man mit Kollegen spricht. Unter jungen Leuten haut man Kritik auch mal mit den Worten: „Du bist zu tief, Mann!“ raus. Im Beruf muss man lernen, durch die Blume zu formulieren. Da fängt man am Besten bei sich an und sagt: „Kann es sein, dass ich ein bisschen zu hoch spiele?“ 

Nachher habe ich dann einen Zeitvertrag als Solotrompeter an einer Staatsoper bekommen. Neben solchen Jobs im Orchester, für die ich wöchentlich durch halb Deutschland reisen musste, blieb natürlich nicht mehr viel Zeit für das Studium. Zum Glück ist die Universität da aber sehr kulant – inzwischen habe ich mehr Urlaubs- als normale Semester. Mein Bachelor läuft seit 2010 so vor sich hin. Eine unbefristete Festanstellung habe ich trotzdem schon.

Was den Weg härter macht als andere Berufswege



Als Musiker ist es nicht wichtig, welchen Abschluss du hast. Es geht alleine darum, wie du spielst. Das lädt einem wahnsinnigen Druck auf, weil es viel weniger gute Stellen als gute Musiker gibt. Auf eine Stelle, wie die, die ich jetzt habe, bewerben sich zwischen 60 und 100 Trompeter. Davon wird vielleicht die Hälfte zum Vorspielen eingeladen. An diesem Punkt spielen alle auf hervorragendem Niveau, bei der Auswahl geht es um Kleinigkeiten. Meistens erscheinen deshalb nur etwa 20 oder 30 Bewerber tatsächlich. Denn jeder Musiker fragt sich wegen des Aufwands vorher: „Bin ich heute in Form? Bin ich gut genug vorbereitet?“ Das Vorspiel findet dann vor mindestens der Hälfte der Orchestermitglieder hinter einem Vorhang statt. Sie wollen in ihrem Urteil nur dem Klang folgen. Vielen Bewerbern gehen da die Nerven durch, denn jeder Fehler könnte den Job kosten. Am Ende wird oft aus einer Runde von Favoriten ausgesiebt. Das Orchester stimmt ab, wer am Besten zu ihnen passt.


Wer den Job bekommt, arbeitet ein Jahr lang auf Probe. In diesem Jahr schauen einem die Kollegen richtig auf die Finger, kein Fehler bleibt unbemerkt. Wenn dieses Probejahr aber überstanden ist, fällt eine Menge Druck ab, denn der Job ist einem im Grunde bis zur Rente garantiert. Das gibt eine Sicherheit, die sich positiv auf das Arbeitsklima im Orchester und damit auch den Klang im Konzert auswirkt. Zurücklehnen kann man sich natürlich trotzdem nicht, denn für Musiker gilt vor allem: „Wer aufhört, besser zu werden, hört auf, gut zu sein.“ Alleine schon um den eigenen Ansprüchen genügen zu können, werde ich also trotz Festanstellung weiter studieren und üben.

Was der Beruf mit meinem Privatleben macht

Das Berufsleben dominiert auch mein Privatleben. Wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, schreibe ich oft selbst Stücke für Ensembles, organisiere Konzerte und überlege mir, was ich dort spielen könnte. Wer sich entscheidet, auch im Privaten Initiative zu ergreifen und Musik außerhalb des Orchesters zu machen, merkt bald, dass das einen Riesenaufwand bedeutet: Man muss sich mit Kollegen und Veranstaltern absprechen, Reisen und Termine organisieren, Noten heraussuchen und an alle Beteiligten verteilen und so weiter. Natürlich kann es dann auch nervig sein, wenn ich mal Damenbesuch habe und trotzdem ständig das Handy klingelt. Aber das nehme ich in Kauf, denn ich lasse es ja selbst zu, dass die Musik mein ganzes Leben beherrscht. Auch meine Freundschaften leben davon. 95 Prozent meiner Freunde sind nämlich auch Musiker und so dreht sich auch das Gespräch oft um den Job. Wenn du Musiker bist und einen Musiker kennst, dann kennst du bald alle. Das ist zwar eine traurige Frage, aber sie stellt sich mir wirklich: Wie lernt man denn sonst Leute gut kennen, wenn nicht über die Musik?

Der Spruch auf der Party



Ich bin zwar selten auf Partys, auf denen nicht die meisten Anwesenden Musiker sind, aber es kommt vor. Und dann auch prompt der Spruch: „Trompeter? Das kann man beruflich machen?“ Wenn ich erkläre, dass ich das sogar studiere, fallen viele aus allen Wolken. Die meisten haben keine Vorstellung von meinem Beruf. Das wundert mich zwar, weil es ja eigentlich in jeder größeren Stadt mindestens ein großes Orchester gibt, aber schlimm finde ich das nicht. Manchmal lade ich Leute, die klassischer Musik eher skeptisch gegenüberstehen, auf ein Konzert ein. Das ist eigentlich das Allergeilste, wenn sie dann nach dem Konzert auf mich zukommen, total euphorisch sind und es ihnen richtig gut gefallen hat.

Was ein Trompeter verdient


Was ich jeden Monat genau verdiene, kann ich so gar nicht sagen. Denn ich arbeite zwar festangestellt im Konzerthaus und bekomme dort das monatliche Gehalt von 5942,78 Euro brutto. Allerdings war ich zum Beispiel im März mit dem Orchester auf Reisen, da bekomme ich Spesen. Und für das Spielen in Ensemble-Konzerten oder als Aushilfe in anderen Orchestern werde ich natürlich meistens auch extra bezahlt.


Dass ich so gut verdiene, ist selbstverständlich super. Und praktisch ist auch, dass ich mir ausgerechnet die Trompete als Instrument ausgesucht habe. Eine kostet zwischen 3.500 und 4.000 Euro, was für ein professionelles Musikinstrument wenig ist. Für eine gute Violine muss man dagegen oft mehrere zehn- oder sogar hunderttausend Euro hinlegen. So werde ich mir auf jeden Fall irgendwann ein kleines Häuschen kaufen können, während ich als Geiger wahrscheinlich immer noch mein Instrument abbezahlen müsste.


Das darf natürlich keiner wissen, aber ich würde meinen Beruf notfalls auch ohne Bezahlung machen. Denn ich bin Trompeter nicht des Geldes, sondern der Musik wegen geworden.

So läuft das Berufsleben bei anderen: 

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