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„Von wem wurde Deutschland bitte ‚befreit‘? Von sich selbst?“

Foto: dpa

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Am 8. Mai 1945, vor genau 75 Jahren, endete der Zweite Weltkrieg und damit das Nazi-Regime in Deutschland. Im ganzen Land wird deswegen der „Tag der Befreiung“ gefeiert. Gedenkveranstaltungen erinnern an die Grauen des Dritten Reichs. Und daran, dass sich dieses Grauen nicht wiederholen darf. Auch auf Twitter äußern sich viele Menschen: Unter den Hashtags #NieWieder, #75Jahre und #TagderBefreiung erinnern viele Menschen an die Pflicht der Deutschen zur Erinnerung, vor allem Aktivist*innen melden sich zu Wort. Eine Person schreibt: „Wir werden alles dafür tun, damit sich dieser Abgrund niemals wieder auftut.“

Doch der 8. Mai ist für viele Menschen in Deutschland auch #TagdesZorns. Menschen mit ausländischen Wurzeln oder Personen, die rassifiziert werden, rufen zum Protest auf. Sie machen deutlich, dass längst nicht alles gut ist: dass es in Deutschland rechten Terror gibt, dass im Bundestag die AfD sitzt, dass Rassismus für sie Bestandteil des Alltags ist. Sie erinnern an die Ermordung Walter Lübckes, an die Anschläge in Hanau und in Halle. Und machen deutlich, dass sie dem Staat nicht immer vertrauen können:

Viele sagen: Schön, wenn sich am 8. Mai viele klar gegen den Faschismus positionieren. Das müsste aber auch im Rest des Jahres passieren. Ein Nutzer fragt außerdem: „Von wem wurde Deutschland bitte ‚befreit‘? Von sich selbst?“

Andere Menschen nutzen den Hashtag, um laut zu überlegen, welche Rolle sie eigentlich selbst während des Krieges gespielt hätten:

Viele Deutsche tun sich schwer damit, sich die Schuld der eigenen Vorfahren einzugestehen, das zeigen auch Studien: Laut der MEMO-Studie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Uni Bielefeld aus dem vergangenen Jahr sind knapp 70 Prozent der befragten Menschen der Auffassung, dass ihre Vorfahren während des NS-Regimes keine Täter*innen waren. Knapp 36 Prozent denken, ihre Vorfahren seien unter den Opfern gewesen, knapp 29 Prozent denken, ihre Vorfahren hätten potentiellen Opfern des Nationalsozialismus geholfen. Tatsächlich hatten dies historischen Schätzungen zufolge etwa nur 0,3 Prozent der Deutschen getan. Wir müssen uns also erinnern und mahnen. Aber nicht nur am 8. Mai – und vor allem nicht nur durch Worte.

soas

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