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So war die letzte Sendung von Circus Halligalli

Foto: Claudius Pflug / dpa

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Jetzt bloß nicht sentimental werden. Bloß nicht in tränendrüsiges Pathos verfallen. Würde auch nicht zu Circus Halligalli passen. Schließlich hat genau das die Sendung ausgemacht: Wenn es mal zu ernst zu werden drohte, hat irgendwer einen Peniswitz gerissen oder „Fickificki“ gerufen. Also hat sich Klaas Heufer-Umlauf die Krawatte vor der letzten Ausgabe besonders eng geknotet. „Damit die Tränen gar nicht erst den Weg nach oben finden.“

Vier Jahre lang hat er zusammen mit Joko Winterscheidt die ProSieben-Show Circus Halligalli moderiert. Hat mit ihm fortgesetzt, was sie zuvor mit neoParadise und MTV Home begonnen hatten: Fernsehunterhaltung, die als post-pubertäres Spaßbad daherkommt. Als jahrelange Oberstufenparty, auf der man lieber irgendwem ein Bier in den Nacken kippt, bevor gar nichts mehr geht.

Im Februar teilte ProSieben mit, dass Joko und Klaas ihre Sendung nach der neunten Staffel beenden werden. Der Grund: Sie wollen aufhören, wenn es am schönsten ist. Was man halt so sagt, wenn im Fernsehen etwas zu Ende geht.

Die letzte Ausgabe also. Zunächst ist alles wie immer, Klaas sitzt am Schreibtisch, Joko auf dem Sofa. Nur ein Bühnenmöbel ist neu: die Heulbox. Eine mannshohe Kabine, nah am Dixi-Klo, in die sich zurückziehen kann, wer doch kurz sentimental wird. Oder, wie Heufer-Umlauf sagt: „Weinen ja, aber bloß nicht im Fernsehen.“

Joko und Klaas legen eine Art Best-Of aus den vergangenen Jahren auf

Mit Abschiedssendungen ist es wie mit der Zugabe bei Konzerten oder dem Dessert im Restaurant: Was zum Schluss kommt, bleibt im Kopf. Joko und Klaas, so viel vorweg, haben sich keine spektakuläre Aktion aufgehoben. Keine Medienstunts wie den gefakten Ryan Gosling, den sie im Frühjahr bei der Goldenen Kamera eingeschleust haben. Stattdessen kramen sie in Erinnerungen und legen eine Art Best-Of auf. Bedeutet: Sie wenden noch mal alle Regeln an, denen Circus Halligalli gefolgt ist.

Regel Nummer eins: der Kontrollverlust. Für die Frage, wie die letzte Sendung denn aussehen könnte, holen sich Joko und Klaas wieder eine Handvoll Betrunkener vor die Kamera. Die delirieren sich dann munter zusammen, welches Outfit die Moderatoren tragen könnten: gelbes Sakko, Bierdosengürtel, Badehose. Wie sie die Show eröffnen könnten: in einer Rakete, dazu „Final Countdown“ im Hintergrund. Über welches politische Thema sie am Anfang sprechen könnten: „Merkel, du Ferkel.“ Und freilich fällt den Schnapsgesalbten auch ein Abschiedsmotto ein: „CHG – Die Geile Meile.“ War dann aber ganz gut, dass sie nicht in Bierdosengürtel und Badehose aufgetreten sind.

Regel Nummer zwei: die Sidekicks. Putzfrau Sabine hockt wie gewohnt in ihrem Büdchen, immer schön mit Kippe in der Hand. Natürlich schaut auch Palina Rojinski auf der Couch vorbei. Erinnert sich mit Joko und Klaas an ihr Casting für MTV Home. Blickt mit den beiden zurück auf die emotionalsten Momente der vergangenen vier Jahre: eine Kompilation aus „fick dich“ (Joko), „ihr Scheißwixer“ (Olli Schulz) und „ich schmeiß euch alle raus“ (Klaas).

Mit ihren Sparkassen-Gesichtern standen sie für eine bürgerliche Frechheit

Wie gesagt, bloß nicht sentimental werden. Lieber Regel Nummer drei beachten, das Drübersein. Dafür waren sich Joko und Klaas schließlich nie zu schade: mal bemühten, mal herrlich behämmerten Fernseh-Dada. In der Mitte der Sendung also wieder einer dieser Überraschungsmomente, sie hätten ja „keine Ahnung“, was heute noch alles passiert. Herein kommt „Thüringer Klöße“-Sänger Fritz in einem roten Plastikauto. Unter viel Nebel und Scheinwerfergewitter lässt er sich von einem Kleinwüchsigen durch den Raum ziehen. Hach, wie in der ersten CHG-Ausgabe.

Kann man drüber lachen. Oder gähnend nach der Uhr schauen. Eigentlich egal, Eindeutigkeit hat Joko und Klaas ohnehin nie interessiert. Viel lieber oszillierten sie zwischen Abistreich und politischem Bewusstsein, Provo-Proll-Anarchie und Altersvorsorge. Mit ihren Sparkassen-Gesichtern standen sie wie kein anderes TV-Duo für eine Frechheit, die stets auch sehr bürgerlich war.

Dabei wussten sie sehr wohl, in welchen Momenten es auch ernster zugehen darf, in welchen Momenten die Haltung über dem Witz steht. Im Sommer 2015 etwa. Damals sprachen sie sich unter dem Hashtag #mundaufmachen offen gegen Pegidahetzer und Rassisten aus.

In ihrem Show-Finale konzentrieren sie sich aber aufs Quatschmachen. Natürlich auch mit Regel Nummer vier: den (Star-)Gästen. Diesmal lauter Herzenskandidaten, die schon in früheren Sendungen aufgetreten waren. Die Rapper Cro und Casper, die vor den Werbepausen neue Lieder sangen. Matthias Schweighöfer, der gefühlt zum Inventar der Sendung gehört. Besonders herzig: James Blunt. „It’s a-schone to be here“, sagt er und trägt am Klavier die vernichtendsten Kritiken vor, die in den vergangenen Jahren über Circus Halligalli geschrieben wurden. Hat schon was, wenn er mit seiner angeknatschten Stimme schmalzt, dass die Show „an mauen Witzen nicht su uberbeiten“ sei.

 

Die Heulbox bleibt leer an diesem Abend. Joko und Klaas moderieren klassenclownesk durch die Sendung. Sentimental werden sie am Ende natürlich trotzdem. Als sie zu zweit am Tisch sitzen, jeder einen Whiskey in der Hand, und sich bei ihren Mitarbeitern bedanken. Nicht nur für die Zeit bei Circus Halligalli, sondern auch bei neoParadise und MTV Home. Als sie dem Sender danken und ihren Zuschauern. Dafür, dass sie geliebt und gehasst wurden, aber „nicht irgendwie egal“ waren.

 

Nein, egal waren sie nie. Vielleicht wären sie es irgendwann geworden, muss man aber nicht weiter drüber nachdenken. Die Oberstufenparty ist rum, morgen wieder Mathe. Danke, ihr Luschen.

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