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Welche Antworten gibt der Weltjugendtag auf die Fragen unserer Zeit?

Foto: Armin Weigel/dpa

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Mehr als eine halbe Million erwartete Gäste, 25 000 Sicherheitskräfte, und der Besuch von Papst Franziskus am Mittwoch: An diesem Dienstag beginnt im polnischen Krakau der 31. katholische Weltjugendtag. "Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden", lautet das Motto der jungen Christen in diesem Jahr. Wie übersetzt sich das in den Alltag? Paul Metzlaff , Sprecher  der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (afj), hat den Jugendtag auf Bundesebene mitorganisiert.

Terror, Amoklauf, Ausländerfeindlichkeit – welche Antworten auf die Weltlage bietet die katholische Kirche beim Weltjugendtag in Krakau?

Auf dem Weltjugendtag feiert nicht eine Nation ihren Glauben für sich – es gibt eine große Vielfalt und es wird nichts eingeebnet. Und das ist die Botschaft. Jugendliche aus Brasilien, Panama, Frankreich oder Italien begegnen sich und feiern ihren Glauben. Frankreich feiert dabei anders als Brasilien, Italien anders als Deutschland. Der Weltjugendtag soll eine Antwort auf Nationalismen sein: Sich nicht aus Angst abschotten und zuhause zu bleiben, sondern Brücken zu bauen. Gerade jetzt müssen wir rausgehen und Freiheit leben. Hinzu kommt beim Weltjugendtag die Freude über den freien Glaubensausdruck.

Wie aber ändert das den Alltag, wenn der Weltjugendtag vorüber ist?

Junge Menschen sollen hier ein anderes Gefühl bekommen. Mehr als 180 Nationen sind an einem Ort präsent – und ich denke, solche direkten Begegnungen von verschiedenen Nationen können die Gesellschaft verändern. Am Beispiel Polen, das eine nationalkonservative Regierung hat: Da kann der Weltjugendtag zeigen, wie wichtig und schön Vielfalt ist. 

Erreicht diese Botschaft auch radikalisierte Jugendliche?

Das ist schwer zu sagen. Ich glaube kaum - wenngleich der Weltjugendtag prinzipiell für alle offen ist. Sein Signal kann auch Nicht-Teilnehmer erreichen, über die Fernsehbilder zum Beispiel. Oder durch ihre Mitschüler, die hier waren. Der Weltjugendtag ist eine Einladung mit allen zu reden!

Man soll also mit den Jugendlichen, die am Rand stehen, sprechen.

Auf dem Weltjugendtag lernen die Jugendlichen auch teilnehmende Syrer, Iraker oder Menschen vom Balkan kennen – das baut mögliche Ressentiments ab, und die Menschen gehen im Alltag offener auf Menschen mit Migrationshintergrund zu. Das würde ich mir wünschen.

Wie hilft einem die Kirche, wenn man Angst vor Anschlägen hat?

Wir nehmen die Ängste sehr ernst. Gerade nach den brutalen Attacken in München und Ansbach sehen wir ja, wie viele Menschen plötzlich zum Gebet in die Kirche gehen, einfach so. Wir haben als Kirche einen Auftrag, den Suchenden zu helfen. Junge Menschen sollten sich im Alltag zum Beispiel fragen: Bin ich barmherzig zu meinen Mitschülern? Diese Haltung ist die einzige, die die Angst durchbrechen kann. Die christliche Grundhaltung ist eine Grundhaltung der Hoffnung. Nicht darauf, dass es im Himmel besser wird. Nein, die Hoffnung auf ein friedliches Miteinander soll Menschen schon jetzt prägen.

Das klingt, wie die Antworten davor, etwas ausweichend. Soll man einfach nur hoffen, dass Terroristen sich entradikalisieren?

Nein, man sollte nicht blauäugig sein. Sondern auf den anderen zugehen und ihn fragen, ob diese Hoffnung auch eine Lebensweise für ihn sein könnte. Das Motto „Selig die Barmherzigen“ kann auch ansteckend sein. Man sollte auf Mitmenschen, die am Rand stehen, zugehen und sie in das Miteinander aufnehmen. Im Klartext: wir wollen nicht missionieren, aber unsere Botschaft als Alternative für Lebensentwürfe anbieten.

Das moderne Christentum ist zwar eine friedliebende Religion – aber es teilt die Welt auch klar in das Gute und das Böse.

Das Christentum ist eine Botschaft der Liebe, aber das heißt nicht, dass uns alles gleichgültig ist. Wir müssen in der Gesellschaft auch Positionen einnehmen, und dabei stoßen wir natürlich auch auf Widerstand.

Welche Positionen konkret? Zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage?

Wir setzen uns für Flüchtlinge ein, das ist ein konkreter Ausdruck von Nächstenliebe und Barmherzigkeit.

Was ist, wenn Flüchtlinge eine Gewalttat begehen, wie jetzt bei dem Anschlag im bayerischen Ansbach?

Straftaten müssen vom deutschen Rechtsstaat geahndet werden - aber ein Straftäter hat nichts mit dem Begriff der Nation zu tun. Es macht keinen Sinn, bei Kriminalität nach der Nation zu fragen.

Wie kann verhindert werden, dass sich mehr junge Menschen in Deutschland radikalisieren?

Als erstes müssen wir die Augen öffnen, um zu erkennen, wo Radikalisierungen passieren können. Dann brauchen wir einen - wenn auch schwierigen - Dialog mit diesen Jugendlichen. Junge Christen sollten Offenheit vorleben – und sich fragen: Wer ist es, der sich da radikalisiert? Haben diese Jugendlichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt, haben sie eine Perspektive im Leben? Die Kirche will jungen Menschen Hoffnung vermitteln – auf ihren Sozialstationen oder auch im Gebet.

Wie weit reicht die christliche Nächstenliebe bei radikalisierten Muslimen?

Christentum und Islam kommen in unserem Land gut miteinander aus. Wir leben in Deutschland friedlich nebeneinander. Bei radikalen Strömungen ist das allerdings nicht möglich – das können Islamisten, Links- oder Rechtsradikale sein. Wenn der Mensch zurücktritt und Gewalt oder ideologischen Zwängen untersteht, dann steht das dem Christentum entgegen. Auch hier gilt: Wir brauchen den Dialog. Dazu sind wir als Christen bereit, auch auf diesem Weltjugendtag.

Konkrete Erklärungen? Hier lang: 

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