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2930 Euro brutto für den BND-Mitarbeiter

Ein BND-Mitarbeiter über seinen Joballtag und die Kritik an seiner Berufswahl.
Illustration: jetzt

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Wem ich von meiner Arbeit erzählen darf

Freunde und Familie wissen von meinem Job. Die gehen damit aber seriös um und erzählen es nicht weiter. Ich sag ihnen jetzt aber auch nicht, welches  Thema ich gerade konkret bearbeite. Das geht natürlich aus Sicherheitsgründen nicht. Am Ende wäre es jedoch sehr schwierig gewesen, ihnen meinen Arbeitgeber zu verheimlichen. Denn mein enges Umfeld wusste ja auch, dass ich mich bewerbe. Im BND gibt es für den Umgang mit solchen Fragen, die man individuell betrachten muss, übrigens eigene Ansprechpartner.

Vorstellung vs. Realität

Ich komme aus einfachen Verhältnissen: Meine Großeltern stammen aus der Türkei, die verfügen nur über eine Art Grundschulbildung. Und meine Eltern wiederum sind Arbeiter. Meine Geschwister und ich haben studiert. Meinen Eltern war es sehr wichtig, dass wir Abitur machen.

Heute habe ich einen tollen und vielseitigen Job. Ich bekomme interessante Einblicke, kann in andere Länder reisen, und zwar nicht nur in die beliebten Länder, die ich mir als Tourist aussuchen würde. Man lernt die Sichtweisen und Kulturen der Menschen dort kennen, das reizt mich dabei sehr. Man ist auch mit anderen Nachrichtendiensten aus der ganzen Welt im Kontakt und kommt mit deren Perspektiven in Berührung.

Mein Arbeitsplatz ist ein Büro in Berlin. Dort werte ich Berichte aus einem bestimmten Land im Nahen Osten aus. Für diese Region müssen wir täglich Einschätzungen liefern. Wie am Fließband muss man da oft schreiben. Folgende Fragen muss ich mir bei meiner Arbeit zum Beispiel stellen: Wie geht es der Wirtschaft im Land? Was denkt der Staatschef? Was denkt die Opposition? Man muss versuchen, analytisch zu denken und ein Gesamtlagebild erstellen. Berichte werden im eigenen und mit anderen Teams abgestimmt, dazu leiste ich meinen Beitrag. Alles wird gegenseitig hinterfragt. Das ist auch gut so, schließlich sind unsere Informationen auch oft Grundlage für Entscheidungen in der deutschen Außenpolitik.

Wenn man tagtäglich die Krisen, Konflikte und Katastrophen auf der Welt quasi hautnah mitbekommt, wird man schnell  abgehärtet, und wenn es ganz schlecht läuft auch mal zynisch, was man eigentlich verhindern muss. Deshalb sind ein gewisses Maß an Distanz und ein funktionierendes Privatleben außerhalb des Dienstes sehr wichtig.

Der Weg zum BND

Ab der Oberstufe habe ich mir Gedanken gemacht, was ich später beruflich machen möchte. Mathe und Naturwissenschaften waren nicht so meine Stärken, ich habe mich mehr für Politik interessiert. Ein normales Studium schied für mich aus, die Schule war mir bereits zu theoretisch. Allerdings wusste ich, dass ich gerne mal im Ausland arbeiten will, ich lerne gerne Fremdsprachen. Als wir in der Schule Berufsberatungswochen hatten, bin ich in einer Broschüre auf den BND aufmerksam geworden. Der Dienst bot ein duales Studium an, die Laufbahnausbildung im gehobenen nichttechnischen Dienst.

Ursprünglich komme ich aus einer ländlichen Region in Hessen. Den BND kannte da kaum jemand. Als ich meiner Familie und meinen Freunden sagte, ich will da hin, wusste erst mal keiner so recht, was das überhaupt sein soll: der deutsche Auslandsnachrichtendienst. Meine Eltern kannten sich da auch nicht aus und haben schließlich angefangen, zu recherchieren. Mein Vater fragte seinen Arbeitskollegen, ob er sich vorstellen könne, für den BND zu arbeiten. Dieser antwortete: „Nee, ich würde ja nicht bei einer Behörde arbeiten, die Menschen tötet.“ Das zeigt in einem Satz die vielen Vorurteile und Falschinformationen, die zu diesem Thema kursieren. Der BND sammelt zur Gewinnung von Informationen über das Ausland, die für Deutschland von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus. Er nimmt niemanden fest und tötet natürlich auch nicht. Da konnte ich meinen Vater schnell beruhigen. Mit  17 habe ich mich schriftlich beworben und wurde tatsächlich ein paar Tage später zum Bewerbungsgespräch nach München eingeladen. Das war eher ein allgemeiner Termin. Danach bekam ich noch mal eine Einladung für das Assessmentcenter. 

In der Behörde gibt es derzeit nicht allzu viele Menschen mit Migrationshintergrund, allerdings  ändert sich das  langsam. Man muss deutscher Staatsbürger sein und die Sicherheitsüberprüfung überstehen, um beim BND arbeiten zu dürfen. Meine Fremdsprachenkenntnisse waren für mich bei der Bewerbung auf jeden Fall von Vorteil. Im Assessmentcenter musste ich einen Aufsatz schreiben, es gab einen Intelligenztest, eine mündliche Prüfung vor einer Kommission, da wurde unter anderem gefragt, ob ich mir vorstellen könne, was operative Arbeit, also Informationsbeschaffung durch das Anwerben und Führen von menschlichen Quellen, bedeutet. Die Kommission bestand aus mehreren Experten. Eine Psychologin war auch dabei. Ich wurde schließlich eingestellt.

Das Studium  an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung dauert drei Jahre. Das Grundstudium absolviert man in Brühl bei Köln: VWL, BWL, Staatsrecht, Zivilrecht, Verwaltungsrecht, öffentliche Finanzen. Nach sechs Monaten kam ich nach München zum Bundesnachrichtendienst, dort bestand das Hauptstudium vor allem aus drei Fächern: Internationale Politik, Rechtswissenschaft und Psychologie.   Man muss ja den Umgang im operativen Bereich kennenlernen: Wie kann ich Informationen gewinnen, Menschen einschätzen, wie erkenne ich, ob jemand lügt? Wie gehe ich kritisch mit den gewonnenen Informationen um? Des Weiteren waren Wirtschaft und nachrichtendienstliche Fachthemen Ausbildungsinhalt. Nach sieben Monaten folgte das erste Praktikum beim BND in Berlin, da sollte ich direkt Quellenberichte auswerten. Ich musste also nicht Kaffee kochen oder so etwas, sondern wurde sofort an die Facharbeit herangeführt.

Der Umgang mit Kritik am Dienst

Streit gibt es in meinem Freundeskreis wegen meiner Tätigkeit nicht, Nachfragen und Diskussionen aber schon. Es gibt ja auch viel kritische Berichterstattung, zum Beispiel über die Zusammenarbeit des BND mit der amerikanischen NSA. Ich muss meinen Freunden oft erklären, dass wir eine Behörde sind, die sich an Recht und Gesetz hält. Und wie notwendig internationale Zusammenarbeit, beispielsweise beim internationalen Terrorismus, ist. Natürlich kann es auch bei uns Verfehlungen geben, wir sind ja auch alle nur Menschen. Aber die erörtert man. In der Geschichte Deutschlands waren Geheimdienste immer wieder ein wichtiger Bestandteil der jeweiligen Unrechtsregime. Umso wichtiger ist vor diesem historischen Hintergrund eine wirksame Kontrolle der deutschen Nachrichtendienste, die ja auch stattfindet. Davon bin ich auch als Bürger überzeugt.

Wie viel verdient man beim BND?

Ich bin Beamter auf Probe und in die Besoldungsgruppe A9 eingestuft – das heißt, ich bekomme mit Zuschlägen 2930 Euro brutto. Ich arbeite 41 Stunden in der Woche, fange jeden Tag um viertel nach sieben an. Meine Freunde haben einen ganz anderen Rhythmus als ich, die meisten studieren noch, können oft ausschlafen. Aber ich beneide sie nicht, dafür verdiene ich ja auch schon mein eigenes gutes Geld und bin unabhängig.

*Deniz Heper ist ein Pseudonym. Der BND bat uns bei einem Treffen mit Deniz in Berlin, seinen richtigen Namen nicht zu nennen, um ihn zu schützen. Der Redaktion ist der richtige Name aber bekannt. 

Dieser Text erschien erstmals am 15.5.2017 und wurde am 22.2.2021 aktualisiert.

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