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Horror-Mitbewohner: die alles Frittierende

Illustration: Daniela Rudolf

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Wohn-Situation: Fünfer-WG im Dachgeschoss ohne richtige Küche

Geschlecht und Alter des Horror-Mitbewohners: weiblich, wahrscheinlich um die 20 (Ich habe nie gefragt.)

Horror-Titel: „Die frittierende Chinesin“

Horror-Stufe: 6 von 10

 

Der Horror:

Der Anfang war eigentlich vielversprechend. Als die chinesische

Austauschstudentin in unsere WG zog, brachte sie jedem Mitbewohner ein

Armbändchen und Chips aus ihrem Heimatland als Einzugsgeschenk mit. Wir waren eine reine Zweck-WG und nicht besonders interessiert an

zwischenmenschlicher Interaktion. So viel Freundlichkeit war ungewohnt, aber natürlich toll. Leider dauerte es nicht lange bis die Stimmung unwiederbringlich kippte.

Dazu müssen ein paar Worte über die Wohnsituation an sich fallen: München, Schwabing, Altbau, fünfter Stock, Dachgeschoss mit schnörkeligen Türmchen, direkt an der Uni. Ich bewohnte das größte Zimmer mit 20 Quadratmetern, einen Turm, und

zahlte dafür 230 Euro warm. Das war damals schon ein Schnäppchen, heute bekommt man bei dem Preis in der Lage glasige Augen.

Das Haus gehörte einem alten kinderlosen Paar, das sich an den Mieten der restlichen Wohnungen dumm und dämlich verdiente und deshalb die Dachgeschosswohnung supergünstig mit der Bedingung bereitstellte, dass nur Studenten dort einziehen dürften. Die Hausverwaltung vermietete jedes Zimmer separat. Jeder hatte darin ein eigenes Waschbecken, gemeinsam teilten wir uns ein winzigkleines Bad mit Dusche und Klo. Eine Küche gab es nicht. Stattdessen standen am Ende des langen schmalen

Flurs ein kleiner Kühlschrank, in dem jede von uns ein Fach hatte, ein Herd und ein Waschbecken. Nicht mal ein Regal passte da noch rein. Also alles sehr beengt, aber bei dem Preis und der Lage trotzdem ein Jackpot.

Sie frittierte jeden Tag mittags und (!) abends in der Küche

Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass keiner fiesen Stink-Kram kochte oder den Boiler leerduschte. Und auch wenn wir uns gegenseitig alle nicht besonders mochten: Wir respektierten diese beiden Regeln. Nur die neue chinesische Mitbewohnerin nicht.

Sie frittierte jeden Tag mittags und (!) abends in der Küche in einem Wok Fleisch, Fisch, Gemüse und was auch immer ihr in den Sinn kam. Das stank natürlich nicht nur bestialisch, sondern verklebte recht bald Fenster, Türklinken, die Kühlschrankfront und alles, was sonst noch so in der Nähe unserer Behelfsküche war. Das erkaltete Fett stand permanent im Wok auf dem Herd. Erstarrte Essensreste inklusive. Auf dem milchig gewordenen Fenster konnte man mit dem Finger Muster malen.

Wir baten sie im Wechsel, nicht so viel zu frittieren oder zumindest regelmäßig mit einem Fettlöser zu putzen. Das Problem: Sie sprach weder Deutsch noch Englisch, keiner von uns Chinesisch. Also schleppte sie weiter jeden Tag Lebensmittel aus ihrem Sieben-Quadratmeter-Zimmer und frittierte sie.

Mein persönliches Limit war erreicht als eine Kommilitonin mich fragte, ob ich bei einer Fast-Food-Kette arbeiten würde. Mein Mantel würde immer irgendwie nach Burger und Pommes riechen.

 

Ich druckte mit Google-Translate folgenden Satz auf Chinesisch aus: 

„Frittieren in der Wohnung verboten“ und schob ihn unter der Tür durch. Auf Klopfen reagierte sie eh nie. Das Frittieren hörte dennoch nicht auf. Dafür machte sie sich noch unbeliebter: Plötzlich wohnte nämlich ihr Freund bei ihr. Auch der sprach weder Deutsch noch Englisch, duschte aber jeden Tag den Boiler leer. Das Maß war voll.

 

Wir riefen alle vier nacheinander bei der Hausverwaltung an und klagten unser Leid. Nichts änderte sich. Als ich zwei Wochen später dort berichten wollte, dass immer noch wild geduscht und frittiert wurde, sagte die Sachbearbeiterin zu mir: „Tut mir leid, ich habe es versucht. Aber Frau XY versteht mich nicht.“ Ich frage mich noch heute, wie da überhaupt der Mietvertrag zustande gekommen ist. Nach zwei Semestern zog sie aus. Das war ein langes Jahr.

 

Unsere Autorin möchte anonym bleiben, da auch die Anonymität der Mitbewohnerin gewahrt werden soll.

 

 

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