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"Ich muss ganz schön verblendet gewesen sein"

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"Als Schülerin hatte ich eine radikale Vorstellung. Ich wollte alle Ungerechtigkeiten beseitigen, ich wollte alle Ausbeutung und alles Böse beenden und forderte eine klassenlose Gesellschaft. Das war das Ziel und ich wollte es am liebsten mit einem Schlag erreichen. So was wie Demokratie oder Rechtsstaat war für mich dem gegenüber eher eine Marginalie. Damals dachte ich nicht mal im Traum an die Möglichkeit, mich auf Kompromisse einzulassen. Wenn ich heute darüber und über meine Zeit in kommunistischen und sozialistischen Schüler- und Studentengruppen nachdenke, erschrecke ich. Ich muss ganz schön verblendet gewesen sein. Das ist, rückblickend, eine Ernüchterung. Die andere hat sich angeschlossen. Mitte der 70er war ich bei allen norddeutschen Atomdemos dabei und noch Anfang der 80er war ich in einer Bürgerinitiative gegen Atomkraft, bis ich irgendwann zu den Grünen kam. Ich musste erst begreifen, was Demokratie eigentlich ist und dass ich Mehrheiten im Parteiensystem brauche, um Dinge zu ändern. Vorher hatte ich immer den „SOFORTIGEN Atomausstieg“ gefordert. Aber irgendwann dachte ich: Krista, da können Jahrzehnte vergehen und du kannst alt dabei werden und immer noch „SOFORT“ schreien und doch nichts ändern. Danach habe ich mit Joschka Fischer dafür gekämpft, dass sich die Grünen auf den Weg Richtung Regierungsbeteiligung machen. Für Mehrheiten muss man Kompromisse eingehen. Der Kompromiss ist die Seele der Demokratie. In den Medien ist man mit dem „sofort“ und dieser Heldenattitüde ein doller Kerl. Dort zählen nur Sieg oder Niederlage und wer Kompromisse eingeht, der ist ein lauwarmer Typ. Aber die Wahrheit ist zum Glück eine andere."


Zum einführenden Text der Geschichte "Das Ende der Unschuld" geht es hier. Zur Übersicht mit den 20 Abgeordneten, die über ihre Ernüchterung in der Politik erzählen oder schreiben, kommst du hier.

Text: jetzt-Redaktion - Illustration: Katharina Bitzl

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