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Entschieden: Lisa geht nach Ghana. Und heiratet Derek

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"E" wie "Entscheiden. (Illustration: Marcus Holzmayr) Nach meinem Abitur hab ich mich entschieden, ins Ausland zu gehen. Ungefähr 70 Prozent meiner Klassenkameraden hatten den gleichen Plan. Australien war zu der Zeit hoch im Kurs. Aber ich wollte etwas anderes. Afrika, dachte ich: Das wäre spannend. Allerdings nicht Südafrika oder Namibia, soviel stand fest. Ich surfte ein wenig durchs Internet, bis ich irgendwann eine Organisation in Hamburg fand, die Freiwilligenarbeit in Ghana anbot. Wo genau lag das noch mal? Ich holte meinen Diercke-Weltatlas aus dem Regal und suchte das Land, das für die nächsten fünf Monate mein zu Hause werden sollte. Nachdem ich meine Finanzen gecheckt hatte und meine Eltern davon überzeugen konnte, dass ich mir durchaus bewusst war, was dort auf mich zukommen würde, schickte ich meinen Antrag an die Organisation und bekam zwei Wochen später den Bescheid, dass sie einen Arbeitsplatz in einem Waisenhaus für mich hätten. Vor Schreck ist mir erstmal der Brief aus der Hand gefallen. Ein Waisenhaus. Eigentlich dachte ich eher an einen normalen Kindergarten oder eine Grundschule. Aber gut, aus der Nummer sollte ich wohl nicht mehr rauskommen. Zwei Monate vergingen, bis ich das Visum, die Tickets und sämtliche Unterlagen in der Tasche hatte und auf dem Weg zum Flughafen war. Sieben Stunden später war ich in Ghana. Fremde Gerüche, fremde Menschen, viel Staub und extreme Hitze hießen mich auf dem Rollfeld Willkommen. Als ich das Gebäude verließ, wartete dort ein junger Ghanaer mit einem Schild, auf dem mein Name stand. Mein Erster Gedanke war: Heißer Feger. Er hieß Derek und arbeitete für TPA, die Organisation mit der ich nach Ghana kam. Derek brachte mich zu meiner Gastfamilie und schon auf der Fahrt dorthin hatten wir unglaublichen Spaß miteinander. Was zum Teil wohl an unserem Englisch lag. Eddie amüsierte sich über meinen verrückten deutschen Akzent und ich verstand kaum ein Wort, denn das ghanaische Englisch ist wirklich mehr als gewöhnungsbedürftig. In diesem Moment war mir klar, dass die nächsten fünf Monate großartig werden mussten. Derek und ich waren ein Team und wurden ein Paar. Das war das letzte, was ich erwartet hatte, und auch wenn das jetzt pathetisch klingt, aber: Ich verliebte mich jeden Tag mehr. So sehr, dass ich nach den angesetzten fünf Monaten noch vier weitere in Ghana blieb. Und dann kam der Tag, an dem ich gehen musste. Das war traurig, aber für Derek und mich stand fest, dass wir uns wieder sehen. Am liebsten in Deutschland. Ich wollte, dass er Weihnachten bei uns verbringt. Aber da war ich wohl ein wenig naiv in meiner Vorstellung, denn ich habe die Rechnung ohne die Botschaft gemacht. Dereks Visum wurde abgelehnt. Also flog ich selbst wieder nach Ghana. Nach diesem Aufenthalt der zweite Versuch - das Visum wurde wieder abgelehnt. Und das, obwohl meine Eltern diesmal als Bürgen eintraten und schriftlich bestätigten, dass Derek, solange er in Deutschland ist, von ihnen unterstützt wird und das Land nach spätestens drei Monaten wieder verlässt. Trotzdem: Keine Chance. Wir versuchten es wieder und wieder. Insgesamt haben die Behörden sechs Visa-Anträge ohne triftigen Grund abgelehnt. Und deshalb werde ich im August zum fünften Mal nach Ghana fliegen und Derek heiraten. Die meisten meiner Freunde halten mich für verrückt. Und vielleicht bin ich das auch ein bisschen, aber ich habe mir alles reiflich überlegt. Wir sind seit über drei Jahren zusammen und Derek kennt nur den Menschen, der ich in Ghana bin. Er hat keine Vorstellung von mir in Winterjacke und dicken Stiefeln. Er weiß nicht wie ich bin, wenn ich von einem stressigen Tag an der Uni nach Hause komme und mich mit Freunden auf ein Bier treffe. Das alles ist ihm fremd und unsere Beziehung macht nur Sinn, wenn ich weiß, dass er auch diese Seite an mir liebt. Also wird geheiratet. Nichts Spektakuläres. Nur standesamtlich, in schicken Klamotten und mit anschließendem Essen. Vielleicht ist es verrückt. Aber ich heirate immer noch aus Liebe. Und darum geht es doch schlussendlich.

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