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Schnaps als Hausmittel? Völlig überschätzt!

Illustration: Federico Delfrati

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Illustration: Federico Delfrati

Die Alkolumne handelt vom Trinken. Von den schönen und schlechten Seiten dieses Zeitvertreibs und den kleinen Beobachtungen und Phänomenen an der Bar. Aber egal, worum es grade geht, lieber Leser – bitte immer dran denken: Ist ungesund und kann gefährlich sein, dieser Alkohol.

Dieses Gefühl, wenn man aufwacht und so ein blödes Kratzen im Hals hat – kennt jeder. Mist, denkt man sich, jetzt ganz viel Tee trinken und einen Schal umwerfen, dann kriege ich es vielleicht noch weg, bevor es eine Mandelentzündung oder sonst was wird. „Ne“, meinte eine Freundin, „du musst einen Schnaps trinken, den du vorher gurgelst.“ Also suchte ich mir was Hochprozentiges und gurgelte. Am besten geeignet, sagte die Freundin: Wodka, Tequila oder Gin – haben alle einen Alkoholgehalt von 40 Prozent oder mehr.

Ein gereizter Hals ist an sich schon ziemlich unangenehm, der Schnaps am Morgen machte es nicht unbedingt besser. Aber er hat tatsächlich geholfen. Leider nur, bis das Halskratzen am Nachmittag wiederkam. Also noch einen Kurzen.

Eigentlich logisch: Der Alkohol desinfiziert und verjagt Keime und Bakterien. Nach drei Tagen war das Halskratzen tatsächlich vergessen. Prinzipiell kann ich die Methode also weiterempfehlen, nur: Wir waren im Urlaub. Ob es im normalen Alltag toll ist, wenn man sich alle sechs bis acht Stunden einen Tequila, Wodka oder Gin reingurgelt? Eher nicht.

Taugt Schnaps als Hausmittel?

Wenn man im Bekanntenkreis rumfragt, kennt fast jeder irgendein Wehwehchen, gegen das Schnaps helfen soll. Google spuckt auch sofort eine Handvoll Vorschläge aus, wenn man den Satzteil „Schnaps hilft gegen“ eingibt. Halsschmerzen, Durchfall, Magen-Darm-Grippe. Sogar Pickel, Husten und Zahnschmerzen schlägt Google mir vor.

Der Schnaps als Hausmittel – was ist da eigentlich dran?

Da wäre also die Sache mit den Halsschmerzen. „Grundsätzlich desinfiziert Alkohol – je hochprozentiger, desto effektiver“, sagt Dr. Christian Schulz von der Uniklinik in München. Dass die Symptome dadurch aber wirklich besser werden, liege „außerhalb jeder medizinischen Evidenz“, sagt der Gastroenterologe. „Bei Halsschmerzen wählt man oft Schnäpse, die auch ätherische Öle enthalten und dann eine heilende Wirkung entfalten.“ Lektion eins also: Anis- oder Kräuterschnäpse gurgeln mag zwar helfen, aber nicht unbedingt wegen des Alkohols.

Schnaps gegen Völlegefühl? Quatsch!

Das nächste Schnapsklischee: der Verdauungsschnaps. Kennt auch Christian Schulz: „Es gibt die weitverbreitete Annahme, dass ein Schnaps nach dem Essen das Völlegefühl reduziert. Dem gegenüber stehen allerdings wissenschaftliche Erkenntnisse, die besagen, dass Alkohol die Magenvorgänge sogar verlangsamt.“ Inzwischen wurden Studien durchgeführt, im Rahmen derer Probanden eine deutlich verlangsamte Magenentleerung hatten, wenn sie nach dem Essen einen geext haben. Lektion zwei also: Schnaps gegen Völlegefühl ist Quatsch.

Und dann ist da natürlich noch der Beruhigungsschnaps. Den gibt’s sogar in zig Filmen. Die Hauptfiguren, die sich nach einem harten Erlebnis hinsetzen und sagen: „Darauf brauch ich erst mal einen Schnaps.“

„Ein Beruhigungsschnaps funktioniert tatsächlich“, sagt Schulz. Das liege an der Wirkung, die der Alkohol im Gehirn auslöse: „Durch die Freisetzung von Dopamin wirkt Alkohol angstlösend.“

Das Gehirn merkt sich Ursache und Wirkung von Alkohol – und schon brennt die Zündschnur zum Alkoholismus

Klingt total einfach: Du bist aufgeregt? Schnaps! Genau hier muss man aber aufpassen, denn wer allzu leicht zum Beruhigungsschnaps greift, bei dem brennt möglicherweise bald die Zündschnur zum Alkoholismus. Das Gehirn kann sich nämlich Ursache und Wirkung von Alkohol sehr gut merken, sagt Christian Schulz. Er rät übrigens auch vom Beruhigungsschnaps vor Prüfungen ab. Kann nämlich unschön ausgehen, wenn das jemand merkt: „Die Inhalte dessen, was man da macht, werden dann nicht zwingenderweise rechtlich anerkannt. Das gilt für Prüfungen genauso wie für Vertragsunterschriften.“ Lektion drei: Besser gar nicht erst anfangen mit dem Beruhigungsschnaps.

Als Hausmittel taugt der Schnaps also nicht wirklich. Schwitzige Hände vor Prüfungen lieber aushalten. Wenn man zuviel gegessen hat, dann lieber merken: beim nächsten Mal eine Portion weniger mampfen. Und warum nicht gleich einen Kräutertee trinken, wenn man Halsschmerzen hat?

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