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Teurer Alkohol macht keinen Kater

Illustration: Federico Delfrati

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Die Alkolumne handelt vom Trinken. Von den schönen und schlechten Seiten dieses Zeitvertreibs und den kleinen Beobachtungen und Phänomenen an der Bar. Aber egal, worum es grade geht, lieber Leser – bitte immer dran denken: Ist ungesund und kann gefährlich sein, dieser Alkohol.

Wenn ich am Morgen nach dem Trinken einen schrecklichen Schädel habe, frage ich mich als erstes: Was hast du gestern getrunken? Und obwohl eigentlich klar ist, dass die Menge des Alkohols schuld sein muss am Kater, beschuldige ich trotzdem bestimmte Getränke: Dieser Sekt zum Anstoßen, der war doch so schrecklich süß. Dieser Kurze zum Abschied, der schmeckte doch nach reinem Sprit. Und das Bier war auch eher plörrig. „Billiges Zeug, ist ja klar, dass das Übelkeit macht“, denke ich dann, bevor ich noch mal einschlafe, weil Aufstehen eh nichts bringt.

Das Wort „billig“ ist dabei besonders wichtig. Denn wenn mir ein alkoholisches Getränk nicht schmeckt oder Kopfschmerzen macht, sehe ich sofort eine Flasche vor mir, die ganz unten im Spirituosenregal steht und einen Preis hat, den ich auch als Schülerin mit schmalem Nachhilfestundengehalt hätte bezahlen können. Schmeckt es mir gut, denke ich sofort, dass es teuer war. Und wenn ich selbst dafür bezahle, ist sowieso sofort klar: Muss ich viel Geld dafür hinlegen, wird dieser Drink mich gut behandeln, kostet er mich wenig, brauche ich morgen einen Kopfschmerztabletten-Cocktail.

Ich bilde mir ein, nach Drinks aus schicken Kupferbechern am nächsten Tag weniger zerstört zu sein

Ich bewerte Alkohol also nach der alten Regel „Qualität hat ihren Preis“ und nach extrem kapitalistischen Maßstäben. Vermutlich auch, weil ich mich mit Alkohol einfach nicht gut genug auskenne. Schnaps ist klar oder dunkel, Bier ist Pils oder Helles, Wein ist weiß oder rot, trocken oder lieblich, Ende des Fachwissens. Bis vor kurzem dachte ich zum Beispiel, dass „der Wein korkt“ bedeutet, dass beim Öffnen ein Stück Korken reingefallen ist und man das anschließend schmeckt. Ich kann halt nach dem Probieren noch sagen: „Schmeckt mir“ oder „Schmeckt mir nicht“. Ansonsten ist der Preis das einzige, anhand dessen ich die Qualität (vermeintlich) beurteilen kann. Mein Gedankengang ist also: teuer = hochwertig = gut für mich und meinen Schädel.

Das Anti-Kater-Placebo führt sogar so weit, dass die Aufmachung des Getränks mich beeinflusst. Ich bilde mir ein, nach Drinks aus schicken Kupferbechern am nächsten Tag weniger zerstört zu sein. Und eine Weinflasche mit einem hübschen Etikett lässt mich unbekümmerter Glas um Glas wegtrinken. Da steckt schließlich Liebe drin und Liebe macht doch keine Kopfschmerzen!

Ich praktiziere das seit Jahren so, und wenn ich nach teurem Alkohol trotzdem einen Kater habe, bin ich fest davon überzeugt, dass andere Kater schon schlimmer waren. Die nach dem Fusel halt. Aber irgendwo in meinem brummenden Kopf ruft dann der Teil von mir, der eine „Du weißt es doch eigentlich besser“-Schärpe trägt: „Haaallohooo, du belügst dich selbst!“ (und ich rufe „Du nervst“ zurück, bevor ich wieder einschlafe, weil Aufstehen immer noch nichts bringt).

Bei Schnaps macht es tatsächlich einen Unterschied, ob es ein teurer oder ein billiger ist, hah!

Das Gute ist: Kürzlich wurde diesem Besserwisserchen eins ausgewischt. Denn ein Kollege sprach mit einem Schnapsbrenner über dessen Job (die daraus entstandene Job-Kolumne „Wie viel verdient ein Schnapsbrenner?“ kannst du hier nachlesen). Und der hat ihm verraten, dass es zumindest bei Schnaps tatsächlich einen Unterschied macht, ob es ein teurer oder ein billiger ist. Er sagte, dass es bei der Flüssigkeit in der Schnapsproduktion den „Vorlauf“, den „Mittellauf“ und den „Nachlauf“ gibt. Der Vorlauf und der Nachlauf sind qualitativ und aromatisch schlechter, denn dabei entstehen sogenannte „Fuselstoffe“ oder „Begleitalkohole“, die man nicht in seinem Schnaps haben will. Sie machen nämlich schneller einen Kater. Schlechte Brenner mischen aber etwas Vorlauf und Nachlauf in den Schnaps, damit sie mehr davon verkaufen können – diese Variante ist für sie also lukrativer und der Schnaps wird dadurch insgesamt günstiger. Billig = minderwertig = schlecht für mich und meinen Schädel. Hah!

Aber selbst, wenn ich das nie erfahren hätte, könnte ich das Besserwisserchen einigermaßen in Schach halten. Denn Placebo ist ja super, wenn es wirkt. Und ich tue niemand anderem damit weh. Außer, jemand verkauft mir demnächst für sehr viel Geld einen richtig miesen Schnaps mit viel Fusel drin und ich preise ihn des Preises wegen als hochwertiges Produkt an, mit dem ich alle meine Freunde abfülle. Die dann am nächsten Tag unter schlimmen Schmerzen leiden, während ich mich frage, was mit ihnen los ist. Denn wenn ich pleite bin, müssten sie doch eigentlich katerfrei sein! 

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