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Jeans für Ratten und Rockstars

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Vor gar nicht allzu langer Zeit waren Jeans in Form von Karotten noch so neu, dass es für ein Label reichte, sie einfach im Programm zu haben. Ein paar Monate später, also heute, muss, wer auf dem Markt mitmischen will, schon mit dem ein oder anderen Marketingmätzchen aufwarten. Mit einem etwas ekligen Namen von sich reden gemacht hat im Winter schon acne-Jeans. Das ist im Vergleich zu dem, was jetzt kommt, aber gar nichts: Wie in der aktuellen Ausgabe des amerikanischen Modemagazins „W“ zu lesen ist, hat das australische In-Label Tsubi bei seiner allerersten Modenschau während der Sydney`s Fall Fashion Week (2001) rund 260 lebendige Ratten auf dem Runway losgelassen. Die nicht für jeden gleich possierlichen Viecher sind dann völlig aufgescheucht in die nicht weniger aufgescheuchte Gästeschar gerauscht. Eine Ratte ist von einem betrunkenen Model totgetreten worden, eine andere hat am Ende des Laufstegs sogar ein Baby zur Welt gebracht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Lindsay Lohan in einer Tsubi Einige Schockmomente später klingelte bei Dan Single und George Gorrow, den beiden Chefdesignern, das Telefon. Dran war eine wenig erfreute Stimme einer Tierschutzorganisation, aber geschadet hat die Aktion dem Ansehen nicht. „W“-Redakteur Doug Bruce interpretierte die Ratten gar als „zynische Metapher“ für die durchtriebene und gefrässige Modeindustrie – dabei waren die nicht mehr als eine Schnapsidee nach durchzechter Nacht. Und das hat der Firma mit dem Fantasienamen ordentlich Publicity beschert: Inzwischen verkauft Tsubi seine Kollektionen in amerikanischen Nobelkaufhäusern wie „Fred Segal“ oder „Colette“ – und Filmsternchen Lindsay Lohan oder Skandalnudel Kate Moss wollen die Jeans mit der besonderen, grauen Waschung gar nicht mehr ausziehen. Innerhalb kurzer Zeit hat das Label auch eigene Stores eröffnet, mit Namen die normalerweise Tätowierstudios vorbehalten sind: das „City of the Dead“ in Sydney, das „Bring Back Life“ in New York und das „From Here to Infinity“ in London – reich bestückt mit Ware, die neben den inzwischen so populären Röhrenjeans auch anderes Anziehbares bereit hält. Aber der Ruhm hat eine Schattenseite. Das Label kann es sich inzwischen leisten, nicht mehr ganz billig zu sein. Und wer nicht zufällig über einen vermögenden und zugleich spendablen Großonkel verfügt, der von seiner nächsten Geschäftsreise eine Tsubi (240 US-Dollar und aufwärts) bei „Selfridges“ in London oder „Barneys“ in New York mitbringt – für den bleibt nur eine Resthoffnung: eBay und kulante oder bestenfalls nicht vorhandene Mitsteigerer.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die April 77 Sommerkollektion Vorteile bringt da das junge französische Label April 77 mit. Die Firma, deren Namen auf das Geburtsdatum des Gründers Brice Partouche zurückgeht, hat sich auf superschmale und erschwingliche Rockstar-Röhren spezialisiert. Seit 2002 gibt es das Label schon, 2004 eröffnete Partouche, im Nebenberuf leidenschaftliches Mitglied der Rockband „Rodeo Massacre“, ein Atelier in Paris und schon ein Jahr später ging es in die weite Welt hinaus: April 77 expandierte unter anderem nach New York, Tokio, London und auch Deutschland. Das Rockstar-Ding zieht sich wie eine Gitarrensaite durch alles hindurch: von der Werbung (schon die Rolling Stones, Franz Ferdinand und Moneybrother haben sich in die Röhren reingezwängt) – bis hin zu den hübschen Gimmicks: an jeder Jeans hängt ein Etikett in Vinylform und in der kleinen rechten Seitentasche steckt ein Gitarrenplektron. Eigentlich ist dieses Werbewirrwarr aber auch egal. Solange die Jeans nur einen passablen Knackarsch machen. April 77 gibt es in Berlin bei Galeries Lafayette, in München im Kaufhaus Beck und bei Slips. Kostenpunkt: um 150 Euro.

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