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Ohne Verstärker unter nackten Russinnen

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Um 1992/ 1993 waren wir mit meiner ersten Band H.P Zinker in New York und dort Teil der New York-Noise-Familie, zusammen mit Bands wie Jon Spencer Blues Explosion oder Helmet.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

H.P Zinker runtergerockt in NYC Die haben dann auch teilweise unser Equipment benutzt, und das war auch völlig okay. Genau in der Zeit, als wir für ein halbes Jahr in England waren, um eine neue Platte aufzunehmen, sind Helmet richtig durchgestartet. Sie haben dann auch in London im Underworld in Camden Town gespielt und wir sollten als Vorband von ihnen auftreten. Vorher waren Helmet öfter Vorband von uns gewesen, und jetzt ging es eben andersrum. Eigentlich haben wir uns darüber auch gefreut. Keine Groupies und stinkiges Wasser Aus irgendeinem Grund hatten wir unser eigenes Equipment nicht dabei. Also wollten wir uns das von Helmet ausleihen. Sie haben dann lauter seltsame Ausreden erfunden, dass das Equipment um keinen Zentimeter verrutscht werden dürfe. Deswegen mussten wir uns eine Anlage ausleihen – in London ist das total teuer und ich bekam außerdem ständig Elektroschocks von meinem Verstärker ab. Jetzt zum Backstage-Raum. Dort herrschte die vollkommene Hierarchie. Helmet hatten so einen richtig glamourösen Raum mit Champagner-Flaschen und jeder Menge Groupies. Die haben uns nicht mal in ihren Backstage-Raum reingelassen. Unser Raum war eigentlich nur so kleiner Gang zu ihrem Raum, so der Klogang, und da war nichts, nicht mal eine Sitzgelegenheit. Wir mussten so am Boden kauern. Das einzige was da stand, waren drei Flaschen Evian Wasser. Dachte ich mir, “wenigstens Evian Wasser“. Doch als ich die Flasche öffnen wollte, merkte ich, dass die schon offen war und als ich den Deckel aufmach’ , roch das schon total nach Chlor. Das waren einfach alte Evian Flaschen abgefüllt mit Londoner Leitungswasser. Und es ging noch weiter, wir spielten auch ein furchtbares Konzert. Wir waren damals total pleite. Ich habe dann an der Bar für mich und den Bassisten zwei Gläser Whiskey gekauft und mich nur kurz umgedreht – in dem Moment hat mir jemand schon die zwei Gläser geklaut. „Whiskeynicking“ war damals in England sehr verbreitet. Dann war mein letztes Geld weg. Allein unter GoGo-Tänzerinnen Mit Queen of Japan waren wir vor ein paar Jahren in St.Petersburg und haben dort in einem Club gespielt. Der stand im ärgsten Ghetto und mittendrin waren Hunderte von schicken neureichen Russen, die in einem verfallen Haus in einem riesigen Loft, dass mit Antiquitäten vollgestopft war, eine Disco-Party gefeiert haben. Unsere Vorgruppe waren acht russische Go-Go-Tänzerinnen und unser Backstageraum war ein altes verlassenes Büro in das wir mit unserer Vorgruppe eingepfercht waren.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mittlerweile hat sich Herr Platzgumer erholt Die Mädchen standen da so ganz selbstverständlich, komplett nackt, teilweise noch mit glitzerndem Bodypainting herum. Die mit ihren perfekten Modellkörpern und wir dazwischen mit unseren stinkenden, trashigen Bühnenkostümen mit Silberketten. Das war eine dermaßen absurde Situation. Zwischendrin kamen immer wieder so fiese, neureiche Russen herein, die mit den Mädchen posierten, oder ihnen in die Brüste kniffen. Wir mittendrin wurden völlig ignoriert, als ob wir Luft wären. Niemand von den Russen fand das irgendwie komisch. Wir sind nur noch mit offenen Mündern dagestanden und wussten gar nicht, wie uns geschieht. Bilder: platzgumer.de

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