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Auf dem Banana-Pancake-Pfad 1: Die Gleichheit der Individualisten

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„Der Weg, den sie (die Backpacker) dabei beschreiten, führt in die Uniformität. Backpacker sehen alle gleich aus, je nach Aufenthaltsland gehüllt in einen Sarong, einen Lungi, eine Kurta oder in die bunte Posthippieuniform, die man an Tankstellen der Backpacker-Autobahn wie etwa Goa oder Chiang Mai billig erwerben kann.“ Ilija Trojanow

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Die Khaosan ist eine etwa 400 Meter lange Straße in Bangkok, auf der es alles zu kaufen gibt: gebrannte CDs, Regenjacken, Frühlingsrollen, Bahncards und Presseausweise, dreieckige Sitzkissen und Kleidung. Alles ist billig. So billig, dass es selbst ein Tagesbudget von 15 Euro zulässt, sich neu einzukleiden. Die Khaosan in Bangkok ein Prinzip, das sich an den Orten des Banana-Pancake-Trails wiederholt: In Indien ist es der Markt von Anjuna, in China die Weststreet von Yangshuo. Aus Sicht der Einheimischen dreht es sich um die Frage: Wie befriedige ich die Nachfrage einer heterogenen Meute von tausenden Backpackern auf begrenztem Platz? Aus Sicht der Backpacker geht es um die Frage: Wie sehe ich möglichst schnell so aus wie alle anderen Idioten? Straßen wie die Khaosan sind der Grund, weshalb sich alle Rucksacktouristen ähneln. Auf ihnen findet die Transformation vom Normalo zum Teilzeitaussteiger statt, da deren innerer Wunsch nach Ausnahmezustand eine äußere Entsprechung und Anpassung fordert. Der Kleidungsstil der Rucksackreisenden setzt sich im wesentlichen aus folgenden vier Prototypen zusammen: Der Indiana-Jones-Typ Im Kindergarten trug er als einziger einen Fahrradhelm. Jetzt hält er das hier alles für das größte Abenteuer seines Lebens. Abenteuer sind gefährlich und dem muss mit entsprechender Kleidung begegnet werden. Er trägt High-Tech-Sandalen mit Spezialfederung, eine Cargo-Hose mit geschätzten 157 Taschen (darin bewahrt er Malaria-Medikamente, Pillen zur Wasserdesinfizierung und einen feuerfesten Bindfaden auf) sowie ein kurzärmeliges Hemd mit ebenfalls möglichst vielen Taschen. Wenn in einer Runde gekifft wird, verlangt er nach einem „Vaporizer“. Der Kulturbeflissene Er schwärmt für den Mondkalender der Mayas und kennt immerhin 53 der 10248 Gottheiten des Hinduismus mit Namen und verbringt die meiste Zeit seiner Reise mit Minderheiten und vergessenen Bergvölkern. Um deren Bestand zu sichern, deckt er sich bevorzugt mit einheimischer Kleidung ein: Sari (weiblich, in Indien), Pancho (in Peru) oder Khmer-Halstuch (Kambodscha). Die Einheimischen kapieren zwar nicht, was der Gringo mit diesen Kleidungsstücken will und sind sich auch nicht ganz sicher, ob er sich nicht über sie lustig macht. Letztlich halten sie das Ganze aber doch für ein gutes Geschäft. Dass der Pancho etwas müffelt, fällt ihm erst daheim auf, wo alle – „voll spießig!“ – wieder Deo benutzen. Der Spaßtyp Das Tolle am Reisen ist, dass einem klar wird, wie ähnlich die Menschen auf der Welt sind. Sie wollen doch alle dasselbe! Sie lieben Bier! Aber dann sind die irgendwie doch wieder verschieden und jedes Volk der Erde trinkt sein eigenes Bier. Weil das faszinierend ist, und weil man diesen grandiosen Abend mit diesen verrückten Australiern am Mekong verbracht hat und immer wieder zum dem Laoten „Another Beer Lao!“ gebrüllt hat, liegt nichts näher, als sich ein T-Shirt mit einer Biermarke drauf zu kaufen. Der Hänger Ist oft schon seit Monaten in mit saunaartigen Temperaturen unterwegs. Kleidung hält er für ein notwendiges Übel, um gesellschaftlichen Anforderungen zu entsprechen. Er hat sie deswegen auf ein Minimum reduziert. Er trägt weite, sackartige Hosen (so genannte „Fishermenpants“ in Thailand oder „Jodhpurs“ in Indien), ein ausgeleiertes Muskelshirt und ein Tuch, das die Dreadlocks daran hindert, vor seinem Gesicht zu baumeln. Er ist immer gerade auf der Durchreise zum nächsten Strand und geht auch in Dritte-Welt-Metropolen gerne einmal barfuß. Der Hänger-Typ ist mir zu wurstig, der Bier-Tshirt-Träger zu lustig, der Kultur-Heini zu ernst und die Sache mit dem „Vaporiser“ finde ich irgendwie überspannt. Das mag nun alles etwas arrogant klingen; sich über die Bekleidung anderer Leute lustig zu machen, ist ja schließlich ebenso amüsant wie einfach. Und Ilija Trojanow hasst Backpacker. Fakt ist aber, dass es verdammt schwer ist, sich diesem Sog zu entziehen. Ich habe es oft versucht: Dann sah ich an einem lärmenden Stand dieses T-Shirt. Es zeigte ein am Boden kriechendes Strichmännchen. Darunter stand „Drunky Monkey“. Ich habe das T-Shirt gekauft und ich habe es länger getragen, als es die Temperaturen zuließen.

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