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Auf dem Banana-Pancake-Pfad 11: Sextourismus

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Pattaya ist ein Puff. Kein durchgehendes Etablissement natürlich, sondern eine 100.000-Einwohner Stadt am Golf von Thailand. Aber die Dichte an Gogo-Bars, gewöhnlichen Bordellen und „Pussy Pingpong“-Shows ist dermaßen hoch, dass der Ruf „Hey, sexy man!“ zu einem Hintergrundrauschen wird. Sextourismus findet in Thailand an drei Orten statt: Bangkok, Phuket und Pattaya. In Pattaya ist es am schlimmsten. Ich traf einen frustrierten Deutschen, den seine thailändische Frau verlassen hatte. Er betrieb dort eine Hähnchenbraterei. „Asiaten lieben Huhn“, sagte er. Auf dem Tisch lag die BILD-Zeitung. Belgier trifft man übrigens auch viele. Am ersten Tag lachte ich noch darüber, wenn auf dem Weg zum Strand permanent Mädchen auf mich zu stürmten, „Hey, sexy man!“ riefen und dann handgreiflich wurden. Sie packten mich an Händen, Unter- und Oberarmen und versuchten mich, in eine rosa-rote, glitzernde Bar zu zerren, aus der irrer Thaipop schallte. Ich grinste, weil ich gelernt hatte, dass man in Thailand ohne Grinsen gar nichts erreicht, und sagte höflich: „No, thanks!“ Am zweiten Tag fiel mir das Grinsen schwer. Ich wollte nicht unfreundlich sein, aber ich mag es nicht, wenn man an mir herumzerrt und mich mit „Come in!“ anschreit. Am Nachmittag des zweiten Tages wollte ich gar nicht mehr an diesem Ort sein, der so oversexed und overfucked war. Ich ging in ein nuttenfreies Internet-Cafe und spielte bis spät in die Nacht ein Computerspiel namens „Age of Empires“. Dann verlief ich mich.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Backpacker hassen Sextouristen. Sie hassen Sextouristen, wie Globalisierungsgegner George W. Bush hassen oder Greenpeaceaktivisten japanische Walfänger. Sextouristen symbolisieren für Backpacker das Böse: Bierbäuche, die BILD-Zeitung, Tennissocken in Sandalen, Ausländerfeindlichkeit. Sie meiden Sextouristen wie die Pest und sollte es einer aus ihrer Mitte wagen, mit einem einheimischen Mädchen am Strand spazieren zu gehen, hat dieser Kerl sich für alle Zeiten diskreditiert. Er hat sich als brutalstmögliches Schwein geoutet. Er könnte auch sagen: „Krieg? Finde ich geil!“ oder „Ich stehe echt auf Umweltverschmutzung“ – es würde die Runde nicht weiter verwundern. Das Opfer des Schweins wird von Backpackern ignoriert. Mit einem solchen Paar nämlich bricht das ganze Elend, die Niederträchtigkeit und der Materialismus der Dritten Welt in den romantischen Globetrottertraum herein. Die meisten entscheiden sich deshalb für das Ausblenden solcher Abhängigkeitsverhältnisse. Kaum ein Backpacker hat Pattaya je gesehen. Ich schon. Aber ich fahre dort nie wieder hin. Ich lief bis ein Uhr nachts durch die Straßen dieses furchtbaren Orts und konnte mein Hotel nicht finden. Es blinkte rosa hier und lila dort, von da kam ein schrilles „Sexyyy Man!“ und von dort „You! Come in!“, überall Tennissocken in Sandalen, Grillhendl, dicke Deutsche, blöde Belgier. Alles bumste. Ich wollte heim ins Bett und am nächsten Tag raus aus diesem Scheißloch. Aber ich fand mein Hotel nicht. Stattdessen traf ich sie. Wie sie hieß, habe ich vergessen, aber sie schrie nicht „Sexyyy Man“, sondern fragte mich ganz ruhig, wo ich hin wolle. Ich sagte zu meinem Hotel und sie zeigte mir den Weg. Sie fragte mich, ob ich mit ihrer Freundin noch etwas an einem Straßenstand essen wolle und weil ich den ganzen Tag nur „Age of Empires“ gespielt hatte, sagte ich ja. Ihre Freundin war ein Ladyboy und ziemlich aus dem Häuschen. Ihr französischer Freund hatte sich überraschend angekündigt, der sie für eine „echte“ Frau hielt. Der Ladyboy aber hatte sich gerade einer Geschlechtsumwandlung unterzogen und bei einer solchen Operation muss man die Hormone für einige Wochen absetzen. Jetzt war der Ladyboy zwar kein Ladyboy mehr, sondern eine richtige Frau, sah aber aus wie Spok. Das war alles irgendwie traurig, aber auch lustig. Wir lachten viel und das Mädchen, das echte, sagte irgendwann: „500 Baht“, und sie würde die Nacht bei mir bleiben. Ich sagte: „No way“. Und sie sagte: „Please“ Zehn Euro, sagte sie, sei der Betrag, dem sie dem Barbesitzer als Ablöse geben müsse. Billiger gehe es nicht. Ich sagte nein, und dachte an die bierbäuchigen Belgier und BILD-Zeitungsleser. Sie sagte: „Please“, denn sonst müsse sie die Nacht mit ebensolchen Leuten verbringen. Sie wollte nicht mit dicken, hässlichen Männern schlafen und ich hatte Angst, einer von ihnen zu werden, würde ich es tun. Ich sagte nein und dann ging sie. Ich weiß bis heute nicht, ob ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Ich weiß nur, dass man sich Orte wie Pattaya sparen kann.

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