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Auf dem Banana-Pancake-Pfad 14: Das "Been there done that"-Prinzip

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Nach zwei Monaten Mittelamerika stellte sich bei Johannes ein Gefühl ein, das dem der Zufriedenheit nahe kam. Es war nicht von Dauer, geschweige denn war es ein Zustand, auf dem er sich hätte ausruhen können. Seitdem er Deutschland verlassen hatte, war er dem, was er sich von dieser Reise versprach, näher gekommen. Er zog den Zettel aus seinem Geldbeutel hervor, der in einem mittlerweile vom Schweiß der Subtropen gelblich gewordenen Bauchbeutel steckte, und ging die Liste durch. Er hatte die Pyramiden von Teotihuacán, Tical, Copan (wobei die im Vergleich zu den anderen eher enttäuschend war, er würde von einem Besuch eher abraten) und die von Palenque besichtigt. Er hatte einen zweiwöchigen Spanischkurs in Antigua absolviert und den billigsten Tauchkurs (den billigsten der Welt!, betonte er) in Utila gemacht. Er hatte sämtliche lokalen Spezialitäten probiert, war dreimal an Durchfall erkrankt (aber das gehörte dazu, hatte man ihm gesagt), war am Strand gewesen und hatte den Popocatepetl sowie einen Vulkan in Guatemala bestiegen. Ihm war es gelungen, sein Budget von 30 Euro am Tag nur an einem einzigen Tag zu überschreiten (und an diesem Tag hatte eine Gruppe von betrunkenen Mexikanern von ihm verlangt, die Zeche zu bezahlen). Er hatte in 61 Tagen eine Strecke von zirka 2000 Kilometern zurückgelegt (Flug natürlich nicht mitgerechnet). Auf der Liste fehlte noch – und dieser Fakt erfüllte Johannes mit einer inneren Unruhe - eine Dschungeltour in Costa Rica, die Besteigung eines weiteren Vulkans auf der Isla de Ometepe, in Nicaragua. Die „Isla de Ometepe“, das hatte Johannes wie alles vor Reisebeginn ausführlich recherchiert, die größte Süßwasserinsel der Welt. Superlative zogen Johannes magisch an. Sie vermittelten ihm Sicherheit, das Beste erreicht zu haben, wo zunächst gar kein Maßstab zu sein schien. „Been there done that“, murmelte Johannes mehr, als er dachte. In irgendeiner Backpacker-Bar, wahrscheinlich in Antigua, hatte er diesen Satz aufgeschnappt. Dann steckte er den Zettel wieder in seine Tasche, zog sich seine Trekkingsandalen und ein frisches T-Shirt an und putzte sich die Zähne. In fünf Stunden ging sein Flug zurück nach Stuttgart. Er freute sich darauf, seine Familie und Freunde wieder zu sehen. Er freute sich darauf, ihnen endlich alle Fotos (es waren insgesamt 765) zu zeigen und ihnen die dazugehörigen Geschichten zu erzählen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

„Been there done that“-Typen reisen nicht mehr um des Reisens willen, sondern um eine Liste abzuhaken. Die Fülle der Möglichkeiten eines Landes erschlägt sie und die einzige Möglichkeit, sich durch diesen Dschungel von Tempeln, Floßfahrten, Dschungeltouren und Kamelritten zu schlagen, ist das Anfertigen einer Liste. Die Liste strukturiert die Reise, sie wird greifbar, planbar und vor allem später erzählbar. Fragen wie „Wie du warst sechs Wochen auf einer Insel? Was hast du denn da gemacht?“ werden nicht gestellt. Man muss kein Zen-Buddhist sein, um zu kapieren, dass das nicht funktioniert. Die Chancen einer langen Reise, sich von Erwartungen frei zu machen, Dinge passieren zu lassen, etwas zu erleben, das im Alltag zuhause nicht möglich wäre, verfallen ungenutzt. Das Prinzip Lebenslauf wird auf die Auszeit übertragen. Am Ende einer solchen Reise bleiben viele kleine Häkchen übrig und hunderte Fotos (meist sind es gerade die Listentypen, die eine für den Zuschauer nicht verarbeitbare Menge an Fotos schießen). Weil der Listentyp unbefriedigt bleibt, muss er wieder los, um noch mehr zu besichtigen. Er landet auf dem Pfad der Begierde, blind, um zu verstehen, dass mehr zu noch mehr führt. Deswegen an dieser Stelle die ultimative Liste für alle „Been there done that“-Typen: - mit einem Motorradreifen sich den Mekong heruntertreiben lassen und dabei Joints rauchen und „Beer Lao“ trinken - „Pussy Ping Pong“-Show besuchen (Bangkok, Thailand) - einen Tauchschein machen (Utila, Honduras) - mit echten Sherpas bergsteigen (Nepal) - einen Yoga-Kurs in einem echten Ashram machen (Rishikesh, Indien) - Haschbauern bei der Arbeit zusehen (Chefchaouen, Marokko) - Angkor Wat anschauen (Siem Reap, Kambodscha) - Kokain ausprobieren (Bogota, Kolumbien) - Surfen lernen (Bali, Indonesien) - Eine Höhlenwanderung am Li-Fluss (Yangshou, China) - Mit dem Kamel für zwei Stunden durch die Wüste reiten (Zagora, Marokko) - Durch die Tunnel der Vietcong kriechen (Saigon, Vietnam) - Macchu Picchu sehen - sich von einem Guru spirituelle Weisheiten beibringen lassen (Indien) - Mit dem Bus durch die Westbank fahren (Israel) - Mit einem Maschinengewehr auf Hühner schießen (Phnom Penh, Kambodscha) - Wasserfälle anschauen (fast alle Länder) - Museen, Tempel, Ruinen anschauen (alle Länder)

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