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Auf dem Banana-Pancake-Pfad 7: Der Strand

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„Das ist er“, sagte Jan, er flüsterte beinahe vor Ehrfurcht. „Das ist er, der Strand.“ Vor uns erstreckte sich eine Sandautobahn von mehreren Kilometern Länge, die links von Palmen und so grünem Blätterkrams und rechts vom Meer beschränkt war. „Das ist der Strand, der Strand.“, sagte Jan wieder. Ein Strand, wie er nicht einmal auf einer Postkarte aus den Achtzigern Jahren hätte sein können. Jan hatte unbedingt hierher gewollt, seit Wochen von nichts anderem geredet. Er war durch ganz Mittelamerika gereist, hatte Reiseführer gewälzt und Buschtrommeln abgehört. Jans Mission: Er wollte den perfekten Strand finden. Was den Strand zu dem Strand machte? Nichts. Oder fast nichts. Da waren nur drei windschiefe Hütten, in denen wir übernachten sollten. Ein fast zahnloser Latino stand mit einer Zigarette im Mundwinkel vor einer Friteuse, in deren Fett Bananen schwammen. Er grinste, ein Stück Asche fiel in die Friteuse. „Ist schön hier“, sagte Jan. Ich nickte. „Aber wenig los“, sagte ich. „Wenn du Party machen willst, flieg halt nach Ibiza.“ „Ich mein ja nur...“ „Mann, wir haben gerade den Strand gefunden! Danach suchen alle Traveller in ganz Mittelamerika.“ Jan hatte Recht. Alle suchen immer den einen Strand. In „The Beach“ bekommt Leonardo di Caprio eine Schatzkarte von einem Junkie-Schotten, auf dem der heilige Strand eingezeichnet ist. Eine exklusive Backpacker-Gemeinde hat sich dort eingenistet. Rucksack-Veteranen lieben Sätze wie: „Koh Phaghan? Da brauchst du nicht mehr hinfahren! Da gibt es jetzt sogar schon einen Starbucks!“, „Goa? Vor 20 Jahren war das gut – aber heute sind da nur noch Russen“ oder „Zipolite? Vergiss es, die haben jetzt sogar durchgehend Strom.“ Sie lieben einsame Strände. Der Strand ist ihnen die Verheißung des Reisens überhaupt. Es geht ihnen darum, etwas Besonderes zu finden, um sich so zu versichern, dass sie selbst sehr besondere Menschen sind.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

So einfach aber ist die Sache nicht. Der perfekte Strand ist nämlich so wie eine angesagte Bar oder eigentlich wie alle coolen Sachen. Sie zerstören sich selbst. Je einsamer, perfekter, abgelegener der Strand ist, desto mehr wollen hin. Je mehr kommen, desto schneller ist die kritische Masse erreicht. Und dann kippt alles. Die Einheimischen bauen ein Internetcafe, ein Restaurant und einen kleinen Supermarkt, später Bars und noch später Friseursalons und Bumsläden. Ganz am Ende wird ein Resort gebaut und besoffene Russen in String-Tangas spielen Badminton am Strand. Weil das fast immer nach diesem Schema so läuft, gilt die Regel: Fahre nie zweimal an denselben Strand. Es wird immer nur schlechter. Es gibt aber noch ein anderes Problem. Ein zu einsamer Strand ist auch scheiße. Jan und ich saßen am Strand mit einem Teller frittierter Bananen und glotzten auf die untergehende Sonne, die alles in ein irreal-kitschiges rosa Licht tauchte. Sie schmeckten, wie Bananen eben schmecken, wenn man sie in Fett frittiert, das das letzte Mal an Weihnachten ausgewechselt wurde. Etwas anderes hatte der Latino mit der Zigarette im Mundwinkel nicht im Angebot. Dann zwickte mich etwas in den Fuß. Kurze Zeit später schlug sich Jan mit voller Wucht auf den Oberschenkel. Ich schrie: „Au“. Jan sagte: „Scheiße“. Dann standen wir auf. „Sandflöhe“, sagte Jan und wir legten uns in unsere zerschlissenen Betten, in denen dutzende Bettwanzen auf uns lauerten. Am nächsten Morgen lief Jan über den Sand mit den Sandflöhen hinein in die Brandung, bis er schließlich bis zur Hüfte im Wasser stand. Dann schiss er ins Meer. So etwas, sagte er, müsse jeder Mann einmal in seinem Leben getan haben. Dann fuhren wir.

Text: philipp-mattheis - Illustration: Katharina Bitzl

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