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Kampf den Klimakillern: Einfach ein paar Tonnen CO2 kaufen

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Wie seid ihr auf die Idee gekommen, euch am Emissionshandel zu beteiligen? Nicht nur die Industrie, sondern auch wir produzieren CO2. Zum Beispiel wenn wir Strom verbrauchen. Meine beiden Kollegen und „Compensators“-Mitgründer und ich arbeiten als Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Wir haben den CO2-Ausstoß unserer Dienstreisen über die Seite Atmosfair kompensiert. Dort wird ausgerechnet, wie viel CO2 du bei einem Flug ausstößt. Dann kannst du „atmosfair“ eine Spende zukommen lassen, die dieses Geld in Klimaschutzprojekte investieren. Wir haben etwas gesucht, wo man auch den CO2-Ausstoß, der beim Autofahren entsteht, kompensieren kann. Weil es da nichts gab, haben wir uns überlegt, dass wir uns genau wie die Industrie die Berechtigung zum Co2-Ausstoß kaufen sollten. Was ist das Problem? Zu Beginn des Emissionshandels wurde festgelegt, welches Unternehmen in Deutschland, wie viele Zertifikate bekommt. Sie mussten diese Zertifikate nicht kaufen, sondern bekamen sie geschenkt. Außerdem hat die Industrie vor der Einführung Lobbyarbeit geleistet, weshalb zu viele Emissionszertifikate ausgegeben wurden. 2005 gab es 499 Millionen Zertifikate, aber es wurden nur 477 Millionen Tonnen CO2 emittiert. Dadurch wurde innerhalb dieser Industrien natürlich kein Rückgang der CO2-Emisssionen erreicht. Was macht ihr dagegen? Wir wollen die Anzahl der Emissionszertifikate so verknappen, dass es weniger Zertifikate gibt, als CO2 ausgestoßen wurde. Wegen der hohen Emissionsgrenzen kostet ein Zertifikat zurzeit nur etwas mehr als sechs Euro. Der Anreiz, in klimaneutrale Technologien zu investieren ist also ziemlich gering. Nur wenn die erlaubten Emissionen gering und die Zertifikate dadurch teuer sind, steigt der Druck auf die Unternehmen, sich für umweltschonendere Technologien einzusetzen. Deshalb beteiligen wir uns am Emissionshandel: Wir kaufen Emissionszertifikate, um sie dem Markt zu entziehen. Mit den Beiträgen unserer Mitglieder (kostet monatlich so viel, wie ein Zertifikat an deinem Beitrittstag gekostet hat) kaufen wir Zertifikate und löschen sie, das heißt sie sind nicht mehr im Handel verfügbar. Was wollt ihr erreichen? Unser Ziel ist, bei den Menschen ein Bewusstsein für den Klimawandel herzustellen. Es ist ja doch ein sehr abstraktes Thema und schwer zu erklären. Jetzt gibt es aber auch für den Einzelnen die Möglichkeit, politisch ein Zeichen zu setzen, indem er ein Zertifikat kauft und sie damit dem Markt für Emissionszertifikate entzieht. Damit demonstriert man, dass einem eine saubere Umwelt wichtig ist und man sich mit den Mitteln, die man hat, dafür einsetzen will.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Startseite von "The Compensators*" mit den Seriennummern der gelöschten Zertifikate Und eine Privatperson kann sich am Emissionshandel einfach so beteiligen? Auf der Webseite der Emissionshandelsstelle in Deutschland steht explizit: Jeder kann am Handel mit Emissionszertifikaten teilnehmen. Wir haben aber festgestellt, dass es in der Praxis sehr schwer und kompliziert ist. Wenn jemand ein CO2-Zertifikat kaufen will, hätte er in der Regel alleine weder die Zeit noch das Geld dafür. Man muss zum Beispiel ein Konto bei der Emissionshandelsstelle aufmachen. Das kostet 200 Euro für die erste Handelsperiode bis 2007. Außerdem muss man wiederum Zugang zu einem Handelsplatz haben – einer Börse, an der die Zertifikate gehandelt werden. Manche Handelsplätze lassen aber gar keine Privatpersonen zu, andere verlangen dafür sehr hohe Beiträge. Deshalb dachten wir uns, es ist eine gute Idee, wenn wir die Organisation übernehmen. Am Mittwoch will die Regierung die neue Emissionsobergrenze für 2008 bis 2012 beschließen. Macht es dann überhaupt noch Sinn, was ihr gerade macht? Ja. Weil wir mit unserer Idee darauf hinweisen, dass zu viele Zertifikate auf dem Markt sind. Wir wollen klar machen: Auch wenn die Politik zu viele Zertifikate ausgibt, gibt es Kräfte, die sich dagegen wehren. Und wenn der neue Allokationsplan wieder zu viele Zertifikate ausgibt, ist es ja immer noch ein wirksames Mittel, um darauf aufmerksam zu machen. Wie kriegt ihr die Leute zum Mitmachen? Uns gibt es ja erst seit ein paar Tagen als eingetragenen Verein, aber wir haben schon über Berichte in den Medien viel positive Resonanz bekommen. Das ist sehr wichtig für uns, damit Leute auf uns aufmerksam werden. Gerade sind wir dabei, eine Online-Community aufzubauen, in der man sich mit anderen Menschen austauschen kann, wie man sich aktiv für den Klimaschutz einsetzen könnte. Wir hoffen, dass so vielleicht auch neue Maßnahmen erfunden werden, was man gegen den Klimawandel machen kann. Was habt ihr bisher erreicht? Wir haben bis heute etwa 35 Zertifikate gelöscht, aber wir haben schon in den letzten Tagen gemerkt, dass uns immer mehr Menschen kennen lernen und hoffen, dass es bald mehr werden. Wann könnt ihr nach Hause gehen? Wenn EU-weit mindestens der ganze Überschuss an Zertifikaten weggekauft wäre. Das ist aber wahrscheinlich nicht zu realisieren. Wenn zum Beispiel jeder EU-Bürger ein Zertifikat kaufen würde, gäbe es weniger Zertifikate als gebraucht werden. Aber wenn durch unsere Aktion genug Aufmerksamkeit entsteht, muss man vielleicht gar keine so große Mengen kaufen, weil man Druck ausüben kann. Wir schaffen durch unsere kleinen Aktionen hoffentlich ein großes Netzwerk an Leuten, die sich gegen den Klimawandel engagieren. Und sobald eine kritische Masse erreicht wird, hat man vielleicht auch Einfluss auf das große Bild. Jetzt natürlich noch nicht, aber viele kleine Ameisen können eine Menge bewegen. Ist Basisarbeit manchmal frustrierend? Bisher noch nicht. Es kommen zurzeit nur positive Rückmeldungen, was sehr motivierend ist, aber das ändert sich sicher bald. Ich bin gespannt, wann. Euer Rat für Sesselrevoluzzer? Das Wichtigste ist, Vertrauen in die eigene Idee zu haben und sich nicht von dem beirren zu lassen, was andere Leute sagen. Und vor allem nicht daran denken, dass das, was man macht, vielleicht albern sein könnte.

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