Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Die Erfahrungen aus der Insolvenz möchte ich nicht eintauschen, sagt Tobias, 25, Informatiker und Eventmanager aus Kulmbach

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Was hast du gelernt oder studiert? Meinen Besuch auf dem Gymnasium habe ich nach einer „Ehrenrunde“ beendet und bin auf die Fachoberschule gewechselt. Dort habe ich mehrere Praktika absolviert, unter anderem sechs Wochen in einem IT-Systemhaus. Die Verantwortlichen haben mich dann für eine Ausbildung als Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung abgeworben. Zweieinhalb Jahre lang habe ich mich dort mit der Einführung und Entwicklung von Warenwirtschaftssystemen beschäftigt – nach meinen Erfahrungen einer der spannendsten Bereiche in der Informatik. Ich durfte schon während der Ausbildung eigene Kundenprojekte übernehmen. Trotz eines Übernahmeangebotes habe ich mich entschlossen, mich in einer völlig anderen Branche selbstständig zu machen: Ich hatte schon in meiner Schulzeit mit einem Freund eine Veranstaltungsagentur gegründet. Angefangen haben wir als Eventservice mit Miss-Wahlen und dem Betreuen einer Diskothek. Innerhalb weniger Jahre haben wir uns zu einer professionellen Agentur entwickelt, die große Firmenfeiern konzipiert und Fahrerlager von Motorsportveranstaltungen in ganz Europa betreut. Drei Jahre lang war ich Vollzeit im eigenen Unternehmen tätig, am Ende hatten wir zehn feste und über 100 freie Mitarbeiter. Leider fielen durch die Wirtschaftskrise im Jahr 2008 viele unserer Kunden weg. Unsere Geschäftsstrategie war auf schnelles Wachstum und wenig Sicherheit ausgelegt. Das führte letztlich in die Insolvenz – auf dem Höhepunkt unseres Geschäftserfolgs. Wie oder warum hast du dich damals für den Weg entschieden? Mir war früh klar, dass ich eine Karriere im IT-Bereich einschlagen möchte. Schon mit zwölf Jahren habe ich meine Leidenschaft dafür entdeckt, Programmiersprachen erlernt und mich in der Schule und privat auf diesem Gebiet weitergebildet. Die Entscheidung für die Ausbildung und gegen ein Studium nahm mir das Unternehmen durch das Angebot einer Ausbildungsstelle ab. Diese und die Aussicht auf ein Einkommen ließen ein Studium für mich recht unattraktiv erscheinen, vor allem, weil mein Arbeitseifer außerhalb des Klassenzimmers schon immer stärker ausgeprägt war. Die Entscheidung für eine unsichere Zukunft im eigenen Unternehmen an Stelle einer Festanstellung in einem soliden IT-Systemhaus fiel mir nicht leicht. Letztlich überwog die Lust, direkt vom Erfolg der eigenen Arbeitsleistung zu profitieren und die selbst gegründete Firma weiter auszubauen. Was machst du heute beruflich? Während dem schwierigen Jahr nach der Insolvenz habe ich für einen ehemaligen Kollegen aus der IT-Branche gearbeitet, der sich selbstständig gemacht hatte. Mit ihm habe ich eine neue Firma gegründet, die sich mit Speziallösungen für Warenwirtschaftssoftware beschäftigt. Für mich war schnell klar, dass ich trotz der erlebten Insolvenz und dem arbeitsintensiven Alltag wieder als Unternehmer tätig sein möchte. Würdest du dich aus heutiger Sicht wieder so entscheiden? Die Entscheidung für den Ausbildungsplatz würde ich jederzeit wieder so treffen. Ob ich wieder in die Selbstständigkeit wechseln würde, wenn ich schon vorher von der drohenden Insolvenz meiner Firma wüsste? Ich kann es nicht sagen. Die Erfahrungen aus dieser Zeit möchte ich gegen nichts eintauschen – die haben mir vielleicht sogar mehr gebracht als ein BWL-Studium. Aus einem Grund hätte ich aber trotzdem gerne studiert: Viele meiner Freunde haben mehrere entspannte Auslandssemester erlebt, während ich schon voll im Berufsleben stand. Das werde ich nie nachholen können. Welchen Rat würdest du Schülern mitgeben, die 2010 die Schule abschließen? Noten sind nicht alles. Versucht durch Praktika, Nebenjobs oder Auslandsaufenthalte herauszufinden, was eure beruflichen Stärken sind – vielleicht lernt ihr auf diesem Weg (wie ich) euren ersten Arbeitgeber kennen. Nach ein paar Jahren im Job zählt nur noch, was ihr könnt und wie ihr euch verkauft. Niemand fragt mehr nach einem Abi-Zeugnis oder dem Notenschnitt an der Uni. Bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz rate ich, auf die richtige Unternehmensgröße zu achten. Ein sehr kleines Unternehmen bietet eventuell keine Karrierechancen. In einem großen Konzern wird oft wenig Erfahrung durch eigene Verantwortung in „echten“ Projekten vermittelt. Zudem ist dort der Aufstieg in höhere Positionen ohne Studium sicher schwerer. Wer mit dem Gedanken spielt, sich selbstständig zu machen, muss sich bewusst sein, dass dies mit viel Arbeit, Verantwortung und Risiko verbunden ist. Vor allem in den ersten Jahren wartet kein entspanntes Leben auf euch. Wer sich nur selbstständig macht, weil er vom Chefsein mit großem Firmenwagen träumt, wird enttäuscht werden. Wer ein cleveres Konzept hat und mit aller Energie dahinter steht, hat eine Chance.

  • teilen
  • schließen