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Finanzkolumne: Warum Bausparen manchmal sinnvoll ist
Ist man offiziell erwachsen, wenn die ersten Kontogebühren fällig sind? Was haben Heels mit der Wirtschaftslage zu tun? Warum gehört der so genannten Gen Z nichts mehr? In ihrer Kolumne „Cash, Card oder Krise“ geht Lilian Schmitt den großen Finanzfragen ihrer Generation nach. In Folge 4: Warum ich meinen Bausparvertrag absichtlich falsch nutze.
Ich will Immos, ich will Dollars und ich will einen Bausparvertrag. Und das, obwohl das verstaubte Wort „Bausparvertrag“ zurecht nach 90er-Werbespot klingt, nach Menschen, die noch Kontoauszüge drucken lassen und nach Spießigkeit. Genau das hat sich die Branche jahrelang zunutze gemacht: „Spießer sein ist Eigenheim“, warb die Landesbausparkasse (LBS), als Spießertum noch nach Sicherheit klang. Und vielleicht trifft es das ganz gut. Ich mag meinen Bausparvertrag, obwohl er sich nicht besonders lohnt. Und das mache ich in einer Welt, in der jede Person, die sich ein bisschen mit Finanzen auskennt, zum ETF-Sparplan auffordert.
Dabei ist die Art des Sparplans meiner Meinung nach erstmal zweitrangig. Wichtig ist, überhaupt mit dem Sparen anzufangen. Da ist der Bausparvertrag für mich aber nur ein Baustein von vielen Möglichkeiten. Und eigentlich ist genau das sinnvoll: mehrere Dinge gleichzeitig machen, wenn es ums Sparen geht. Wer aber wirklich Geld vermehren möchte, sollte eher auf Optionen wie ETFs oder Aktien setzen.
Bausparen, was ist das überhaupt?
Ein Bausparvertrag ist im Grunde eine Wette auf die Zukunft. Erst sparst du, dann darfst du, wenn du willst, ein Darlehen zu vorher festgelegten Zinsen aufnehmen. Du kaufst dir also heute die Zinsen von morgen, oder genauer gesagt, sicherst du dir die Zinsen der nächsten zehn Jahre. Wenn sie später steigen, hast du gewonnen. Wenn sie fallen oder stabil bleiben, war die Wette schlecht.
Die Idee dahinter ist alt, aber logisch: Viele Menschen legen Geld in einen gemeinsamen Topf. Wer zuerst bauen will, bekommt daraus sein Darlehen, die anderen sparen weiter. Der Vertrag garantiert also keine hohe Rendite, sondern Berechenbarkeit. Und das kann in einem Markt, der sich ständig ändert, für viele ein attraktives Versprechen sein.
Früher war das clever, weil die Bauzinsen bei zwölf Prozent lagen. Wer sich damals mit einem Bausparvertrag Darlehenszinsen unter drei Prozent gesichert hatte, sparte Tausende Euro. Ab den 2010er-Jahren folgten Jahre der Niedrigzinsen, da war ein Kredit bei der Bank günstiger als ein Darlehen über einen Bausparvertrag. Aktuell sind Kredite wieder teurer und liegen bei rund vier Prozent Zinsen. Mit einem Bausparvertrag könntest du dir heute Zinsen sichern, die niedriger wären als bei einem Kredit zu den aktuellen Konditionen. Ob du sie später wirklich brauchst, weiß niemand, die Zinsen könnten auch wieder fallen. Die meisten Verträge laufen zehn bis fünfzehn Jahre. In Zukunft kann die Welt also schon anders aussehen.
Anfang der 2010er-Jahre zeigte sich jedoch, dass dieser „sichere Hafen“ brüchig sein kann. Als die Zinsen in Deutschland immer weiter fielen, kündigten viele Bausparkassen massenhaft alte Verträge mit hohen Bonuszinsen, vor allem solche aus den 80er- und 90er-Jahren. Teilweise bekamen Sparer dort noch mehr als drei Prozent Zinsen, während neue Verträge kaum ein Viertel davon boten. Viele ließen ihre Verträge einfach weiterlaufen, ohne das Darlehen je in Anspruch zu nehmen. Sie nutzten den Vertrag also als reine Geldanlage.
Das wurde den Kassen irgendwann zu teuer. 2017 entschied der Bundesgerichtshof, dass sie solche Altverträge kündigen dürfen. Das gilt aber nur zehn Jahre nach der sogenannten Zuteilungsreife, also dem Zeitpunkt, ab dem das Darlehen abrufbar wäre. Begründung: Wer sein Darlehen so lange nicht nutzt, spart nicht mehr für den ursprünglichen Zweck, sondern nur noch für sich selbst. Und das widerspricht dem Gedanken des Bausparens.
Rechnen wir kurz
Und ja, auch ich entfremde den Vertrag. Der Vertrag ist ja klassisch gedacht, also mit Sparphase und anschließendem Darlehen. Ich nutze ihn aber absichtlich falsch und mache ihn einfach voll. Dafür habe ich mir zunächst eine Sparsumme von 10 000 Euro vorgenommen, die ich auf zehn Jahre verteilt ansammle. Davon kann ich mir natürlich nicht mal ansatzweise eine Immobilie kaufen, aber so habe ich eben in zehn Jahren 10 000 Euro.
Finanziell lohnt sich das nicht. Ich zahle die vollen 10 000 Euro ein, bekomme dafür fast keine Zinsen und zahle am Anfang noch eine Abschlussgebühr von 100 Euro. Wer dasselbe Geld auf ein Festgeldkonto mit drei Prozent Zinsen legen würde, würde nach zehn Jahren wahrscheinlich sogar etwas Plus machen und etwa auf 11 300 Euro kommen, weil das Geld dort arbeiten darf, während es im Bausparvertrag stillsteht. Auf die Idee bin ich aber nicht gekommen, sondern habe einfach befolgt, was ich schon von meinen Eltern kannte, ohne viel nachzudenken.
Auch der berühmte „Zinsvorteil“ des Bausparens hilft mir nicht weiter, weil ich ja gar keinen Kredit will. Ich kaufe mir also Zinsen, die ich nie nutze. Rein rechnerisch ist das absurd. Psychologisch ergibt es Sinn. Denn ich kann das Geld nicht einfach wieder abheben, und genau deshalb funktioniert es für mich. Natürlich gibt es Alternativen. Ein Tagesgeldkonto ist der unkomplizierte Zwilling des Bausparvertrags: er ist ohne Gebühren und flexibel. Wenn ich also 300 Euro für den Urlaub abheben möchte, kann ich das easy tun. Ein ETF-Sparplan bringt langfristig deutlich mehr Rendite, schwankt aber mehr.
Vermögenswirksame Leistungen sind das vergessene Geschenk
Wer arbeitet, kann sich den Bausparvertrag oft vom Arbeitgeber mitfinanzieren lassen, über sogenannte vermögenswirksame Leistungen (VL). Das sind kleine Extrazahlungen, bis zu 40 Euro im Monat. Du musst sie verhandeln, sie kommen nicht automatisch. Aber sie sind für den Arbeitgeber steuerfrei.
Das Geld kann in verschiedene Sparpläne laufen: in einen Bausparvertrag, einen Banksparplan oder auch in einen Fondssparplan. Je nach Einkommen legt der Staat noch etwas drauf, über die sogenannte Arbeitnehmersparzulage oder, beim Bausparen, die Wohnungsbauprämie. Aber diese Beträge sind auch sehr umstritten. Viele sind sich da nicht einig, bei welchem Einkommen die Grenze zu ziehen ist. Ein Bausparvertrag mit VL-Zahlungen bringt zwar keine Traumrendite, aber er aktiviert Geld, das sonst nie geflossen wäre. Und das allein reicht, um den Deal interessant zu machen.
Natürlich schwingt bei all dem ein gewisser Realismus mit. In Köln, München oder Frankfurt klingt „Eigenheim“ mittlerweile wie ein Witz aus einer anderen Zeit. Selbst wer diszipliniert spart, landet oft weit unter dem, was eine kleine Wohnung kostet.
Trotzdem werben die Bausparkassen weiter und versuchen, gezielt junge Menschen zu erreichen. Die LBS zeigt zum Beispiel in einem Werbespot den Rapper RIN. Er sitzt an einem riesigen Tisch, um ihn herum seine „Brüder“, dargestellt als Gartenzwerge, also ein klassisches Spießermotiv. RIN erzählt, wie es sich als erfolgreicher Rapper lebt: „Heftige Immobilie, du hast das Game durchgespielt.“ Und am Ende heißt es: Wenn du’s mit dem Rappen nicht schaffst, dann eben mit einem Bausparvertrag. Die Realität ist: Für viele in meiner Generation bleibt Eigentum aktuell ein Symbol, kein Ziel. Wir sparen nicht auf Ziegel, sondern auf Optionen. Vielleicht auf eine große Reise, vielleicht auf coole Konzerte oder einfach auf Ruhe.
Warum ich bleibe
Mein Bausparvertrag zwingt mich zum Sparen. Ich muss mich nicht jede Woche motivieren, Geld zur Seite zu legen. Es läuft automatisch ab, Monat für Monat. Und genau das ist der Punkt: Routine schlägt Perfektion, zumindest für mich. Ich weiß, dass es klügere Wege gibt, Geld zu vermehren. Ein ETF-Sparplan, ein Tagesgeldkonto mit vier Prozent, ein gut getimtes Anleihe-Depot. Aber das alles funktioniert nur, wenn man sich aktiv darum kümmert und das tun die wenigsten. Ich gehöre zu denen, die lieber einen mittelguten Plan durchziehen als gar keinen. Ich bleibe, weil mein Vertrag läuft, egal wie chaotisch mein Alltag ist. Weil ich keine App öffnen muss, um ihn zu bedienen. Weil ich weiß, dass das Geld nicht in Sneaker-Drops oder Wochenendtrips verschwindet.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version stand, dass Baukreditzinsen früher bei bei zwei Prozent lagen. Das ist falsch, sie lagen bei zwölf Prozent. Wir haben die entsprechende Angabe korrigiert und präzisiert.