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Das ist: Marcel Rohrlack, unfreiwilliger Held der CSD-Parade

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(Foto: Leonhard Simon)


Das ist...

Marcel Rohrlack, 18, Sprecher der Grünen Jugend München und seit dem Wochenende unfreiwilliger Held der Christopher Street Day-Parade. Jedes Jahr fahren die jungen Grünen dort mit einem Wagen mit. Seit über drei Jahren engagiert sich Marcel bei der Partei für die homosexuelle Ehe, aber auch für den Mindestlohn und längere Ladenöffnungszeiten in München. Dass der Sprecher aber ausgerechnet an diesem Tag so schmerzhaft mit einem seiner Herzensthemen konfrontiert werden würde, hätte er nicht gedacht.

Nach der Party machte er sich mit seinem Freund in Kleid und High Heels auf den Nachhauseweg. Am Ostbahnhof wurden sie von einer Gruppe von fünf jungen Männern angepöbelt und verfolgt, Marcel wurde sogar geschlagen.

Der kann...

gekonnt auf homophobe Idioten reagieren: Während sein Partner den Angreifern hinterherlief, handelte Marcel geistesgegenwärtig. Er schnappte sich den nächstbesten Passanten und ließ den Tatort, sein blaues Auge und das blutverschmierte Kleid fotografieren. Das Ganze lud er dann als eine Art Foto-Story auf Facebook und Twitter hoch und katapultierte sich so in kürzester Zeit aus der Opfer- in die Heldenrolle.

Er schrieb in seinem Post, der ihm viel Zustimmung einbrachte: „Ich hab die Parade gestern sehr genossen und viel Zuspruch für mein Outfit erhalten. Leider sah das nicht jeder so: Auf dem Nachhauseweg sind mein Freund und ich am Ostbahnhof von einer Gruppe angepöbelt und verfolgt worden. Mir wurde mit der Faust aufs Auge geschlagen (ich trug Sonnenbrille), sodass ich im Krankenhaus genäht werden musste.“

Jetzt hofft er, dass seine Aktion auch offline etwas verändert. „Ich habe das in erster Linie für mich selbst gemacht. Ich wollte nicht als Opfer dastehen, sondern aktiv handeln. Wenn das jetzt Auswirkungen auf die Politik hat, umso besser.“ Tatsächlich wollte er die Situation erstmal nur dokumentieren und trat eine Welle der Solidarität und des Zuspruchs los. Innerhalb kürzester Zeit  wurde sein Beitrag knapp tausend Mal geteilt, doppelt so oft kommentiert und viertausend Mal geliket. Dazu erhielt Marcel hunderte persönliche Nachrichten, Blumen von Claudia Roth und viele unterstützende Bekundungen von Bayerischen Abgeordneten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Marcels Facebook-Post wurde in wenigen Stunden von Tausenden geteilt

Der geht...

die nächsten Tage aus Angst vor weiteren Übergriffen erst mal nicht allein durch die Stadt. Nach dem großen medialen Interesse sei er erstmal vorsichtiger, sagt er. Er will sich aber  auf keinen Fall dauerhaft einschüchtern lassen. Beim nächsten CSD wird Marcel wieder ein Kleid tragen: „Der Übergriff bestätigt mich in allem, was ich die letzten Jahre gemacht habe und hat mir gezeigt, dass noch mehr Präsenz von queeren Perspektiven im Alltag nötig ist. Jetzt erst recht!“

Wir lernen daraus, dass...

das Format der Bravo-Foto-Story politisches Potenzial hat. Und dass Homophobie ein allgegenwärtiges Abends-um-sieben-Phänomen mitten in München ist.  

Nur Google weiß über ihn, dass...


Marcel mal eine grüne Matte auf dem Kopf hatte. Damals allerdings noch nicht aus politischer Überzeugung. „Ich hatte einfach Lust drauf“, sagt er.

Text: eva-hoffmann - Fotos: oh

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