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Miquela, die erste virtuelle Influencerin

Screenshot: instagram.com/lilmiquela

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Selbstbewusst lächelt sie in die Kamera, mit den vielen Sommersprossen im Gesicht und der kleinen Zahnlücke zwischen den Vorderzähnen. Auf den Fotos ihres Instagramprofils „lilmiquela“ sieht sie dabei, egal ob allein oder mit Freunden, immer super aus. Lässig kombiniert sie verschiedene teure Marken miteinander: Auf dem einen Bild trägt sie ein lockeres Sweatshirt von Diesel, auf dem anderen ein Bustier von Chanel über einem weißen T-Shirt. Auch hat sie bereits ihren ersten eigenen Song auf Spotify herausgebracht und postet nebenher politische Slogans auf ihrem Instagram-Account. Miquela Sousa ist die perfekte Influencerin. Das Ding ist nur: Sie ist nicht echt. Zumindest nicht, wenn man mit „echt“ aus Fleisch und Blut meint: Miquela ist ein vollständig animierter Avatar.

Ein bisschen wirkt sie wie ein Sim aus dem Computerspiel „Die Sims“, dessen Schöpfer die Grenzen des Spiels nicht mehr ausgereicht haben. Doch Miquela ist kein Sim, sie meint es ernst mit ihrem Influencer-Dasein. Wer dahinter steckt, weiß man bis jetzt noch nicht. Denn der oder die Erschafferin hält sich bedeckt. In einem per Chat geführtem Interview vom 5. Februar 2018 mit „Business of Fashion“ erklärt sie es dem Magazin so: „Ich würde gerne als Künstlerin oder Sängerin oder etwas, das meiner Kunst nahekommt, wahrgenommen werden, anstatt mich auf die oberflächlichen Merkmale zu konzentrieren.“ Der perfekte Standardsatz, wie er auch von allen anderen Influencern oder jungen Stars stammen könnte.

Miquela soll also für sich stehen. Wenn schon nicht real sein, zumindest real wirken. Und das klappt ziemlich gut: Sie posiert mit echten menschlichen Freunden auf Bildern, verkleidet sich für Halloween und hat eine politische Meinung. Und wie aus dem Interview noch hervorgeht, hat sie mit ihren brasilianisch-spanischen Wurzeln auch noch einen binationalen Hintergrund.

Geld verdient Miquela dadurch bis jetzt angeblich noch nicht. Doch sie behauptet Testproben bereits jetzt zugeschickt zu bekommen. Erst ab diesem Jahr sind Modelverträge mit großen Labels wie Chanel geplant. Dabei will sie aber nicht einfach nur modeln, Miquela ist auch kreativ und plant zu den Looks immer auch etwas Eigenes beizutragen.

In dem Interview erzählt sie außerdem wie sie in Galerien geht und welche Künstler und Modemacher sie inspirieren. Dabei wirkt sie sehr authentisch – eben wie ein mehr oder weniger authentischer Influencer.

Aber lohnt es sich, eine virtuelle Influencerin zu erfinden? Was muss ein guter Influencer überhaupt können, um bei der Masse anzukommen?  Christoph Kastenholz von der Influenceragentur Pulse Advertising findet: „Künstliche Influencer können sehr wohl spannende Medienpartner sein.“ Er beschreibt die nötigen Qualitäten so: „Die Stärke eines Influencers auf Social Media entscheidet sich einerseits über objektive Faktoren wie die Zahl und Verteilung der Follower, sowie andererseits über subjektive Faktoren, wie das Vertrauen und damit den Einfluss, den ein Influencer auf sein Following hat. Er muss mit der jeweiligen Message glaubwürdig sein.“ Das scheint bei Miquela der Fall zu sein.

Aber wie viel Vertrauen kann man in einen künstlich kreierten Avatar haben? Kann dieser wirklich über einen längeren Zeitraum Emotionen wecken und Meinungen fördern? „Ein Avatar kann - wie Miquela beweist - sehr wohl eine große Folgschaft aufbauen und für einzelne Projekte kann diese Zielgruppe durchaus spannend sein. In dieser Hinsicht ist es bei Miquela also genau so, wie auch bei einem menschlichen Influencer. Die Stärke eines Avatars kommt auf das Kampagnenziel an“, meint Christoph Kastenholz. Das klingt so, als sei es im Prinzip egal, wer einem eine Meinung oder ein Produkt näher bringt – ob eine virtuelle oder eine echte Person.

„Virtual Celebrities“, populäre, animierte Figuren, die zum Teil auch großen Einfluss haben, sind eigentlich nichts Neues. „Grundsätzlich sind natürlich auch nicht-menschliche Testimonials relevant. Ich denke da an Beispiele wie Karikaturen, wie beispielsweise Irma.“ Irma ist eine Zeichenfigur, die Mode und Kosmetik vermarktet und schon eigene Produkte auf den Markt gebracht hat. Anders als bei Miquela gibt sich die Schöpferin von Irma aber klar zu erkennen.

Dennoch ist Miquela die erste hauptberufliche Influencerin auf Instagram. Jemand der bewusst eingesetzt wird Meinung zu kreieren und zu streuen, womit ihre Schöpfer am Ende auch Geld verdienen.

 

Welches Geschäftskonzept steckt also dahinter?

 

Ein ziemlich kluges. Denn das perfekte Mittelmaß wird hier selbst kreiert und damit die Idee eines perfekten Influencers verwirklicht. Denn Miquela vereint augenscheinlich alle nötigen Eigenschaften, die ein Influencer so mitbringen muss. Nicht nur ist sie topgestylt, ihr brasilianisch-spanischer Hintergrund und dass sie gleichzeitig in Kalifornien lebt, lässt sie für verschiedene Märkte dieser Welt attraktiv werden. Ihre Virtualität macht sie neu und besonders. Auch ihre politischen Statements sind perfekt auf das liberale Publikum der Instagramer abgestimmt: Sie setzt sich gleichzeitig für mehr Genderfreiheit ein und spricht sich gegen „White Supremacy“ aus. Und ihr hängt nicht der Makel so vieler Influencer an, mit ihrer korrekten Meinung eigentlich nur Geld machen zu wollen. Schließlich ist sie nicht echt.

Ein weiterer Vorteil ist, dass es schwerer fällt einen rein virtuellen Influencer für dessen Inhalte verantwortlich zu machen. Die Kritik, die auf einen dahingesagten latent rassistischen, sexistischen oder pietätlosen Kommentar ihrerseits folgen würde, würde ins Leere laufen. Denn die eigentliche Person hinter Miquela gibt sich nicht zu erkennen. Und da die Kommunikation bisher nur via Chat verläuft, hat der- oder diejenige stets Zeit sich die Antworten gut zu überlegen.

 

Allerdings hat die Perfektion noch bestimmte Grenzen. Denn Miquela muss sich auf den Raum beschränken, in dem sie so perfekt ist – den Virtuellen: „Eine nicht-menschliche Figur hat natürlich ganz grundsätzliche Einschränkungen, sie kann ja beispielsweise kein Event besuchen.“, meint Christoph Kastenholz dazu. Jedenfalls noch nicht.

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