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Spotify wird wegen rechter Streaming-Angebote kritisiert

Foto: Campisky / Adobe Stock; Bearbeitung: jetzt

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Gegenderte Sprache ist seit Anfang des Jahres auch bei Spotify angekommen. So wurde aus dem generischen Maskulin „Künstler“ ein inklusives „Künstler*innen“. Das alleine zeigt schon: Das schwedische Unternehmen ist offenbar um einen weltoffenen und diskriminierungssensiblen Anstrich bemüht. Auch auf sozialen Netzwerken zeigt es Haltung. „Es ist keine Zeit zu schweigen“, schrieb Spotify auf Twitter solidarisch mit den „Black Lives Matter“-Protesten. Und trotzdem geben viele Nutzer*innen derzeit Kündigungen ihrer Spotify-Konten bekannt – aus politischen Gründen.

Ein Gast des Podcasts ist der rechtsextreme AfD-Politiker Björn Höcke

Anlass ist eine deutsche Podcast-Reihe mit dem Namen „Lagebesprechung“ vom Verein „Ein Prozent e.V.“, die auf Spotify abrufbar ist. In fünfzehn Episoden bespricht ein Moderator mit verschiedenen Gästen die Maßnahmen und Folgen der Covid-19-Krise. Der Verein ist jedoch äußerst umstritten. Vor zwei Wochen hat auch das Bundesamt für Verfassungsschutz den Verein als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft. Für Spotify ist das allerdings kein Grund, den Podcast abzuschalten.

Gegenüber jetzt bestätigt Marcel Grobe, Pressesprecher von Spotify Deutschland, die Beibehaltung des Podcasts. Man sei sich der Vorwürfe bewusst und habe die einzelnen Folgen überprüft. Jedoch habe man keine Verstöße gegen die Spotify Content Policy feststellen können und sehe daher keinen Grund, den Podcast abzuschalten. Die Gäste des Podcasts sind unter anderem der rechtsextreme AfD-Politiker Björn Höcke, aber auch Oliver Hilburger, Chef der rechten Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ und ehemaliger Gitarrist der rechtsextremen Band „Noie-Werte“, dessen Rolle im rechtsterroristischen NSU bis heute ungeklärt ist.

Dass lediglich der Inhalt überprüft wurde, aber nicht die Protagonisten des Formates oder dessen Produzenten, stößt auf bei vielen auf Unverständnis. „Natürlich muss man darauf achten, wer hinter dem neu-rechten, völkischen und neonazistischen Verein steckt. Allein die Podcast-Gäste sprechen für sich“, sagt David Kiefer, Pressesprecher vom „Berliner Bündnis gegen Rechts”. Das „Berliner Bündnis gegen Rechts” ist im März auf den Podcast bei Spotify aufmerksam geworden und fordert in einer Petition, die mittlerweile mehr als 130.000 Unterschriften zählt die Abschaltung. 

„Den Podcast abzuschalten, wäre durchaus möglich, wenn ein Wille da ist“

Kiefer wirft dem Unternehmen vor, ihren Handlungsspielraum nicht auszunutzen. Er bezieht sich auf ein Urteil des Oberlandesgerichtes Dresden, das den Verein „Ein Prozent“ als „Hassorganisation“ einstuft und ein Urteil des Landgericht Görlitz zur rechtmäßigen Sperre der Accounts von Facebook und Instagram bestätigt. „Den Podcast abzuschalten, wäre durchaus möglich, wenn ein Wille da ist“, sagt Kiefer mit Verweis auf die Rechtslage.

Der jetzige Fall ist nicht der erste Kontakt mit rechtsextremistischen Inhalten auf Spotify. Zum Jahresanfang sorgten antisemitische Playlists und Adolf Hitler verherrlichende Profile bereits für Schlagzeilen. Diese wurden von Spotify anschließend gelöscht, weil sie gegen die Spotify-Content-Policy verstießen. „Wir lassen keine Hassinhalte auf der Plattform zu“, heißt es darin und weiter, „wenn wir auf Inhalte, die diese Standards verletzen, aufmerksam gemacht werden, werden wir sie von der Plattform entfernen.“ Dazu gehören auch neonazistische Inhalte.

Der Jurist und Autor Horst Meier publiziert zu rechtspolitischen Themen. Er hat sich viel mit dem Verbotsverfahren der NPD beschäftigt und plädiert im Gespräch mit dem Berliner Campusradio „couchFM“ für die detaillierte Auseinandersetzung mit dem Inhalt. Seiner Meinung nach würde der Inhalt keine neonazistischen Inhalte verbreiten. „Nichts in diesen sogenannten Lagebesprechungen hat etwas mit Hetze oder Neonazi-Propaganda zu tun – jedenfalls, wenn man die Begriffe wörtlich und ernst nimmt“, kommentiert Meier die Vorwürfe.

Der Podcast diene dem rechten Verein als Köder, um Menschen auf die eigenen Medienangebote aufmerksam zu machen

Aus Sicht des Berliner Bündnis gegen Rechts ist die Fokussierung rein auf den Inhalt Teil des Problems. Rechte Gruppierungen würden dies für ihre Medienstrategie nutzen, so Kiefer. „Indem sie inhaltlich sehr gemäßigt auftreten, haben sie die Möglichkeit über Dienste wie Spotify eine viel größere Menschenmenge zu erreichen“, erklärt Kiefer. Der Podcast diene als Köder, um Menschen auf die eigenen Medienangebote aufmerksam zu machen, in denen expliziter argumentiert wird. Das Bündnis sieht darin eine konkrete Gefahr, denn die Produzenten wollen sich selbst und somit „rassistische, antisemitische und nationalistische Inhalte wieder salonfähig machen“, heißt es in ihrer Petition.

Sich auf der einen Seite deutlich mit dem Schutz von Minderheiten zu solidarisieren, auf der anderen Seite aber nicht konsequent gegen rechte Akteur*innen vorzugehen, löst bei einigen Spotify-Nutzer*innen Unverständnis und Wut aus. Auf sozialen Netzwerken wird dazu aufgerufen, die Abonnements zu kündigen. Der Vorwurf: Heuchelei.

Auch Anbieter*innen von Podcasts haben angekündigt, auf andere Plattformen umzuziehen:

„Der Boykottaufruf ist unabhängig von uns entstanden”, sagt Kiefer, „wir finden das allerdings begrüßenswert und konsequent.” Zu kommenden Aktionen möchte sich das Bündnis nicht äußern, es seien aber welche in der Planung. 

Auch wenn Spotify auf den aktuellen Fall nicht reagiert hat, gibt es mittlerweile in bei anderen Beispielen Konsequenzen. So wurde der Rapper „Chris Ares“, der Kontakte zur rechtsextremen Identitären Bewegung hat, von Spotify entfernt. In einer Pressemitteilung heißt es dazu: „Der gesamte Katalog von Chris Ares wurde wegen Verstoßes gegen die Spotify Content Policy entfernt.“ Damit möchten sich viele Nutzer*innen jedoch nicht zufrieden geben. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, nur als Reaktion auf Proteste etwas zu ändern und nicht konsequent genug zu sein.

Ob der Podcast „Lagebesprechung“ weiterhin Bestand haben wird, bleibt ungewiss. Erst wenn der Verein „Ein Prozent“ verboten werden sollte, ist Spotify verpflichtet, die Folgen zu entfernen. Solange das nicht passiert, liegt es im Ermessen des Unternehmens, wem sie eine Plattform geben möchten. Aber nicht nur Spotify betrifft die Frage, wie mit rechten und rechtsextremen Medienanbietern umzugehen ist. Auch andere Streaming-Anbieter wie Apple Music oder Google Play Music müssen eine Antwort darauf finden, denn auch bei ihnen tauchen die rechten Angebote auf.  

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