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Das Ding der Woche: Der Krapfen

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Der Krapfen hat etwas Verbindendes: alle essen ihn. Der Faschingsfreak, der um die Häuser zieht als Herr der sieben Meere oder als Badewanne. Und auch der Faschingsmuffel, der sich in seiner Wohnung versteckt und den Aschermittwoch herbeisehnt. Beide treffen sich beim Bäcker um die Ecke. Staunend stehen sie vor der mit Luftschlangen behängten Auslage.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Vor einigen Jahren war die Entscheidung dort noch einfach: „Einen Krapfen“ – und schon hatte man eine puderzuckerbesiebte Teigkugel in der Hand. Jetzt galt es nur noch, den Rand abzusuchen nach einem rötlichen Fleck, der den Weg wies zum Marmeladenvorkommen im Inneren des Krapfens. Dann: Mund aufreißen, Krapfen zwischen Ober- und Unterkiefer positionieren, Augen zukneifen wegen Puderzucker-Staubexplosion und reinbeißen. Eine Sache von zwei Minuten. Heute braucht es schon allein fünf Minuten, um sich in der Krapfenauslage halbwegs zurechtzufinden. Die Poleposition vorne links hinter der Glasscheibe gehört den Champagnerkrapfen, gefolgt von den füllungsfarblich abgestimmten Vanille- und Eierlikörvarianten. Dann die italienische Ecke: Latte Macchiato und Hefeteig-meets-Löffelbisquit-Tiramisu. Weit und breit kein schnöder Marmeladenkrapfen. Stattdessen: Der Erste-Hilfe-Krapfen, dekoriert mit einer Spritze mit blutfarbenem Inhalt. Gefüllt mit? „Erdbeer-Grapefruit-Konfitüre und Erdbeerlimes!“ Ach so. Apfel-, Kokos-, Kinder- (Gefüllt mit?), Nougatkrapfen. Dann noch die Außenseiter, die Faschingsküchlein und die Quarkbällchen, und schon ist das Ende der Auslage erreicht. Eindeutig zu viele Sorten, um sie alle in einer kurzen Faschingssaison zu testen. Andererseits – will man überhaupt all diese aufgemotzten Kreationen probieren? Wer Lust auf Eierlikör hat, trinkt Eierlikör. Wer Hunger auf Tiramisu hat, isst Tiramisu. Und wer im Fasching in einen Krapfen beißt, will Marmelade schmecken. Am liebsten Hagebutte.

Text: johanna-kempter - Illustration: franziska-hartmann

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