- • Startseite
- • Ding_der_Woche
-
•
Das Ding der Woche: Die Laptopstange
Es ist lange her, dass ein Ausflug zu IKEA das schönste Erlebnis der Sommerferien war, damals, als man mit dem ersten BILLY-Regal fürs Jugendzimmer ausgestattet wurde, das man später mit sukzessive sinkender Begeisterung wieder und wieder in den Umzugswagen räumte. Das Smaland hatte schon lange seinen Zauber verloren und irgendwann ödete einen auch die allgegenwärtige IKEA-Ästhetik an. Dennoch: Wenn im Spätsommer der neue Katalog im Briefkasten liegt, spürt man die einstige Faszination erneut und blättert und schaut, von welchem Designklassiker sich der schwedische Möbeldiscounter diesmal hat inspirieren lassen und ob sich die preisgünstigere Kopie nicht auch im eigenen Heim gut machen würde. Bis man plötzlich etwas entdeckt, das man wirklich gebrauchen konnte.
Ob BYGEL so ein Produkt ist? Im 2012er Katalog präsentiert sich eine schlanke Metallstange diesen Namens, von der man noch nicht weiß, welches skandinavische Dorf oder Getränk hier schon wieder Pate stehen musste. Auch erklärt einem kein Designer, welche Produktionsschlaumeiereien das Ding so billig machen. Jedenfalls, BYGEL, das sind 55 Zentimeter silberfarben lackiertes Metall für 1 Euro 99 Cent, die nur noch in die Wand über dem Bett gedübelt werden müssen: Fertig ist das Laptop-Bett!
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Vorausgesetzt, man hat dort bereits ein Regalbrett montiert, wie auf dem Foto im neuen IKEA-Katalog, auf dem wir BYGEL kennenlernen dürfen. Ein schickes Aluminiumnotebook eines kalifornischen Herstellers ist zwischen Stange und in zartem Hellgrau gestrichene Wand geklemmt, BYGEL ist farblich zweifelsohne ideal auf die derzeitige Lifestyle-Ästhetik abgestimmt. Die Bildunterschrift erklärt nochmal für visuell Begriffsstutzige, wofür das Ganze gut ist: „Mit dieser Stange kannst du deinen Laptop vor dem Schlafengehen nach deiner Reise durchs Internet sicher auf der Ablage über deinem Bett verstauen.“
Man kennt das, manchmal wird es wirklich spät auf solchen Reisen. Wenn man also nach unzähligen Kilometern Datenautobahn irgendwann die Abfahrt Land der Träume nehmen möchte, ohne das Bett zu verlassen, aber sich weder unvorteilhafte Tastaturabdrücke in der Visage noch einen Festplattenschaden einhandeln möchte, weil man das im Bett belassene Notebook bei wilden Träumen womöglich von der Matratze kegelt: Dann, ja dann, könnte BYGEL die Lösung sein. Laptop zugeklappt, ein kurzer Griff nach hinten oben übers Kopfkissen, schon kann man beruhigt einschlafen.
Dass es dieses Produkt nun bei IKEA zu kaufen gibt, zeigt, dass die „always on“-Mentalität endgültig das Stigma Pizza futternder World-of-Warcraft-Zocker verloren hat. Es ist inzwischen offenbar völlig okay und unbedenklich, bis tief in die Nacht vor dem Computer zu hängen und ihn morgens noch vor dem Zähneputzen wieder aufzuklappen. Denn wenn man den Schweden eines attestieren muss, dann, dass sie wissen, was das Gros der Konsumenten will: Hot Dogs, Hackfleischbällchen an Preiselbeersoße und jetzt wohl auch ein Laptopbett. Wenn es etwas bei IKEA zu kaufen gibt, bedeutet das: Dieses Produkt ist keimfrei, familienfreundlich und gesellschaftlich akzeptiert.
Anderseits haben die IKEA-Wohnwelt-Stylisten fürs Foto noch ein Buch über die Stange gehängt. Das kann man leicht - und sollte man vorsichtshalber auch - zuhause mit dem neuesten Feuilletonliebling nachmachen. Denn obwohl einem selbst die Sorge, viereckige Augen zu bekommen, als „so yesterday“ erscheint, kann man dem mitgebrachten Aufriss auf diese Weise dezent signalisieren, dass man auch sonst also wirklich echt nicht die ganze Nacht vor dem Laptop hängt.