Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Das "Hab ich bei Tumblr gesehen"-Shirt

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Tumblr kann man immer anschauen, egal wie viel oder wie wenig Zeit man hat, wie aufnahmefähig oder abgelenkt man gerade ist: Man scrollt sich durch einen unendlichen Stream lustiger und schöner Bilder und Gifs, ein kurzer Blick reicht, um alles zu erfassen, oft muss man nichts oder nicht mehr als drei Sätze lesen. Das Tumblr-Universum, gerade durch den Yahoo!-Deal wieder in aller Munde, lädt zum nicht-Nachdenken ein und dabei machen viele gerne mit.  

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Das Nicht-Nachdenken führt auch dazu, dass alles, was schön aussieht, schnell und wahnsinnig oft geteilt wird. Der Nutzer sieht ein hübsches Gif von Emma Watson auf einem Tumblr, denkt: „Oh, das will ich auch auf meinem haben!“, Klick schon ist’s passiert und Emma Watson wurde auf seinem Tumblr reblogt. Auf dem wieder ein anderer das Gif sieht und wiederum reblogt. Und immer so weiter, bis keiner mehr weiß, wer anno dazumal das Gif gebastelt hat, geschweige denn, wo das Bildmaterial dafür herstammt.  

Dem Cover des 1979 erschienenen Joy Division-Albums „Unknown Pleasures“ ist genau das passiert. Es zeigt gewellte Linien, die an einen Herzmonitor erinnern. Es sind aufgezeichnete Radiopulse eines Pulsars (eines rotierenden Neutronensterns), genauer des Pulsars PSR B1919+21. Die Abbildung stammt aus der „Cambridge Encyclopedia of Astronomy“ und wurde für das Cover farblich invertiert, ansonsten aber unverändert übernommen. Das Cover hat Tumblr-Berühmtheit erlangt, es wurde vielfach reblogt und taucht im Original, animiert als Gif, gezeichnet oder als Tattoo auf. Da das Album schon ziemlich alt, viele Tumblr-Menschen aber eher jung sind, teilen sie das Bild auch gerne, ohne zu wissen, woher es eigentlich stammt. Einfach, weil es schön ist. Der Designer Adam J. Kurtz hat darum ein T-Shirt entworfen, das sich über die Tumblr-Kids und die Sharing-Kultur der Plattform lustig macht: Im Stil des original „Unknown Pleasures“-Shirt ist darauf das Radiopulse-Motiv zu sehen, darüber steht „What is this?“ und drunter „I’ve seen it on Tumblr“.  

Seit dieses Shirt aufgetaucht ist, wird es in guter Tumblr-Manier durch das Internet gereicht. Kurtz wird für die Idee bejubelt. „Dieses Shirt ist wohl eine authentischere Repräsentation von Jugendkultur als Joy Division zu hören“, schreibt Four Pins. Mittlerweile kann man das T-Shirt vorbestellen, „aufgrund der großen Nachfrage“, schreibt Kurtz. Aber auch: „Ich habe nicht vor, noch mehr davon zu entwerfen, das Shirt war ein Witz und ist immer noch einer.“  

Der Erfolg hat Kurtz anscheinend überrascht. Er zeigt, wie ambivalent das gesamte Tumblr-Universum ist: Zum einen werden unüberlegt massenweise Bilder und Ideen weitergereicht, andererseits werden gute Ideen so auch schnell bekannt – und verkaufen sich auf einmal. Allerdings ist das „What is this“-T-Shirt wahrscheinlich vor allem ein Erfolg, weil es so selbstreferenziell ist. Die Tumblr-Nutzer feiern sich damit selbst beziehungsweise machen sich über eine Teilgruppe ihrer Gruppe lustig. Wenn die T-Shirts bald ausgeliefert und auf der Straße getragen werden, können sich die Kenner verschwörerisch zuzwinkern. Alle anderen brauchen vielleicht ein weiteres T-Shirt. „What is Tumblr?“ müsste draufstehen und drunter „I’ve seen it on a T-Shirt“. 

  • teilen
  • schließen