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Facebook-Pädagogik
Wer sich nicht in die Welt der digitalen Imagepflege und Dauerkommunikation traut, aber sie gerne einmal simulieren würde, kann das bald tun – ohne sich tatsächlich einzuloggen. Soweit zumindest die Idee. „Facebook spielen“ – wie funktioniert das? Es ist ein gut gemeinter, wenn auch etwas kurios anmutender Beitrag zur Medienbildung, den das DGB Bildungswerk zusammen mit Beteiligten eines studentischen Medienprojektes leisten möchte: Im Offline-Modus darüber aufzuklären, wie es sich anfühlt, in Online-Social-Networks sein Leben zu dokumentieren und sich darin zu bewegen. Wie gestaltet und pflegt man ein Profil, wie fühlt es sich an, durch „Gefällt mir“-Klicks Bestätigung zu bekommen, welche Inhalte sollte man teilen und welche nicht, wie funktionieren Facebook-Freundschaften, wie verwaltet man Öffentlichkeit und Privatsphäre?
Die neue Idee soll ein altes Problem lösen: Wie kann man vermitteln, warum soziale Netzwerke im Leben der meisten Menschen eine elementare Rolle spielen, warum wir Videos, Zeitungsartikel und Urlaubsfotos teilen, immer mit allen verbunden sein wollen und es keine strikte Unterscheidung in On- und Offlineleben gibt? Mit Flipchart-Vorträgen oder Powerpointpräsentationen lassen sich diese Vorgänge in der Theorie erklären. Aber letztendlich geht es ja um zwischenmenschliche Beziehungen, um (Selbst-)Darstellungs- und Kommunikationsformen, die man nur nachempfinden kann, wenn man sie ausprobiert. Eine entsprechende Trockenübung gab es bisher noch nicht.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Auf "Profilkarten" soll man persönliche Informationen über sich angeben.
Das Facebook-Spiel soll das nun ändern und kommt als Mischung aus Brett- und Kartenspiel daher, ein bisschen wie das "Spiel des Lebens" – womit wir schon beim grundsätzlichen Haken wären. Die Spielregeln sind simpel: Man sammelt durch bestimmte Aktivitäten Punkte und steigt so immer weiter auf in der „sozialen Netzwerkpyramide“. Oder eben nicht, das hängt vom eigenen Verhalten ab. Auf den Aktionskarten, die der Reihe nach gezogen werden, stehen Aufgaben wie „Du hast von zwei Freunden lange nichts mehr gehört. Trenne dich von zwei Kontakten deiner Wahl und gib die beiden Profilkarten beim Spielleiter ab“. Oder Missionen, die lauten: „Plane mit vier Freunden deiner Wahl ein Event. Macht öffentlich Werbung, um viele Teilnehmer dafür zu begeistern.“
Es gibt vier Spielphasen: die Anmeldephase, in der man ein Profil anlegt, die Vernetzungs- und Beziehungsphase, die dem Finden und Verwalten von Kontakten dient, die Spielphase, bei der die oben genannten Aktionen ausgeführt werden, und zuletzt eine Reflektionsphase, in der man sich mit dem veränderten Kommunikationsverhalten und der neuen Öffentlichkeit auseinandersetzt. Das klingt zunächst nach einer einigermaßen realistischen Umsetzung der Online-Situation. Wenn man sich jedoch anschaut, wie diese Spielphasen konkret aussehen, wird klar, warum das Konzept nicht ganz aufgehen kann.
Zum Beispiel sollen die „Profilkarten“ möglichst oberflächlich und rudimentär ausgefüllt werden, um schnell mit dem „richtigen“ Spiel beginnen zu können. Auf Facebook dagegen hat man unbegrenzt Zeit, seine Interessen zu sortieren und darüber nachzudenken, ob man seinen Arbeitgeber oder Beziehungsstatus angeben soll. Im Spiel werden Freundschaften geschlossen, indem man Kärtchen in Briefumschläge steckt oder die Person am Tisch persönlich fragt, ob sie „Freund“ sein möchte. Dieser etwas verkrampfte Vorgang ähnelt kaum der mit einem Klick verschickten Facebook-Freundschaftsanfrage. Öffentliche (Pinnwand) und private Kommunikaiton (Chat) werden dargestellt, indem man Post-Its auf die Profilkarte des anderen klebt oder – Achtung! – mit der entsprechenden Person flüstert.
Was kann dieses Spiel also und was kann es nicht? Sicherlich bietet es die Möglichkeit, zumindest oberflächlich das Kommunikations- und Darstellungsverhalten und die alltäglichen Aktionen in der digitalen Welt auszuprobieren. Es stellt in groben Zügen das System dar, in dem man sich bewegt, sich einen bestimmten sozialen (Netz-)Status erarbeitet und mit anderen in Verbindung tritt. Was das Spiel allerdings nicht in die Offline-Realität übertragen kann, sind Faktoren wie die gesunkene Hemmschwelle, die Schnelligkeit der digitalen Kommunikation, die Gleichzeitigkeit aller Aktionen und vor allem der nicht zu unterschätzende Umstand, dass man normalerweise immer einen Laptop- oder Smartphone-Bildschirm zwischen sich und der Netzwelt da draußen hat. Letztendlich hilft es wohl doch nur, seiner Neugier zu folgen, Zweifel zu überwinden und es online auszuprobieren. Oder eben nicht.
Text: helena-kaschel - Fotos: dpa; http://pb21.de/2013/01/facebook-spiel-download/