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Ding der Woche: Das Duschbier

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Es liegt natürlich näher, das ganze doof zu finden, als es zu mögen. Bier in der Dusche, da brüllen einem die Gegenargumente ja nur so durch den Kopf: Spritzwasser im Bier! Shampoo im Bier! Sturzgefahr! Wasserverschwendung! Das Duschbier ist eine offensichtlich schlechte Idee. Es wirkt dekadent, irgendwie prollig, erinnert an College-Parties, Druckbetankung mit Bierbong und Sauna mit Wodka-Aufguss. Es sind aber vermutlich genau diese Punkte, die den Erfolg des Duschbieres erklären: Etwas offensichtlich dämliches zur besten Sache der Welt zu erklären, macht Spaß und funktioniert gerade im Internet hervorragend.  

Auf Reddit, dem Durchlauferhitzer für kuriose Meldungen, Fotos und Meme aller Art, folgen mittlerweile mehr als 18.000 Leser der Gruppe "Showerbeer". Seit ein paar amerikanische Blogs (teils mit beeindruckendem archivarischem Ehrgeiz) über das Phänomen berichtet haben, stellen Nutzer fast im Stundentakt Fotos ein. Sie halten nackt und mit nassen Haaren Bierdosen in die Kamera, alleine oder mit Freunden, eingerahmt von Duschvorhängen und Shampooflaschen. Zwei Jahre nach dem Planking, ein Jahr nach dem Harlem Shake, sieht es aus, als habe das Internet sein nächstes großes Mitmach-Mem gefunden.  

Das Duschbier und seine merkwürdige Beliebtheit sind ein Beispiel dafür, wie das Internet dämliche Ideen aufnimmt, sie mit spielerischer Begeisterung weiterspinnt und allmählich eine Ideologie drumherum packt. Das Duschbier ist, wie das Planking, in erster Linie eine absurde Bildidee - und komisch genug, um einen Sog zu entwickeln. Es bedient gleich mehrere Trends, Selfie-Exhibitionismus auf der einen, Voyeurismus auf der anderen Seite. Gleichzeitig hat es eine hübsche lebenspraktische Komponente: Denn bei aller Albernheit ist das Duschbier im Kern ein durchaus anwendbarer Vorschlag, wie sich vormals tote Zeit angenehm nutzen lässt.

In den Foren geben Connaisseure des Duschbiers schon jetzt Tipps im Ton von Gault-Millaut-Kritikern. Etwa der User, der angeblich "die Kunst des Duschbieres schon seit 1985 mit Bedacht ausübt" und zur Optimierung des Duschbier-Erlebnisses folgendes empfiehlt: Das Bier sollte so kalt wie physikalisch möglich sein, das Wasser so heiß, wie es das Schmerzempfinden zulässt – was zählt, ist der Kontrast! Keine Glasflaschen, nur Dosen! Bei der Hälfte der Dusche sollte ein leichter Rausch spürbar sein! Falls nötig, möge man zu diesem Zwecke ein Reservebier im Waschbecken bereit halten! (Möglichst mit Eis, siehe Punkt eins)

Klare Indikatoren für ein Duschbier sind zum Beispiel: Das Ende eines langen Tags in der Sonne / Die Vorbereitung auf die Hochzeit eines Freundes / Der erste Besuch in Las Vegas oder New Orleans.   Und am Mythos wird weiter gestrickt. Man findet mittlerweile Vorschläge für die beste Musik zur Untermalung eines Duschbiers (der Trend geht zu Ska-Punk) und leidenschaftliche Diskussionen um die Frage: Lager oder Pils, vielleicht gar ein Ale? Junge Väter geben die Tradition schon jetzt an ihre Kleinkinder weiter, man gedenkt toten Duschbier-Aficionados mit - na klar - einem Duschbier, Paare fotografieren sich beim Duschbier vor, während und unmittelbar nach dem Sex. Vielleicht wird das Duschbier durch seine vergleichsweise gute praktische Anwendbarkeit in ein paar Jahren tatsächlich den Sprung in den Alltag geschafft haben. Wir wollen uns mit Prognosen nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber der "Zigarette danach" im Bett dürfte es vor Jahrzehnten ähnlich gegangen sein. 

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