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Ding der Woche: Der Hitlervergleich

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Was Hillary gesagt hat

Die Lokalzeitung „Long Beach Press-Telegramm“ ist nicht international bekannt. Trotzdem wurde sie jetzt rauf und runter zitiert. In einem Bericht stand folgender Satz von Hillary Clinton über Putins Krim-Politik: „Wem das bekannt vorkommt: Es ist das, was Hitler damals in den Dreißigerjahren tat.“ Sie soll sich dabei allerdings allein auf Putins Begründung für sein Handeln bezogen haben: „Hitler sagte stets, die ethnischen Deutschen, die Deutschen per Abstammung, die in Gebieten wie der Tschechoslowakei oder Rumänien waren, werden nicht richtig behandelt. Ich muss mein Volk beschützen“.  

Die Reaktionen

Hillary Clinton wird sich wahrscheinlich um Obamas Nachfolge als Präsidentin bemühen. Mit ihrer Äußerung über Putin beginnt sie schon mal, dort Stärke zu zeigen, wo Obama oft Schwäche vorgeworfen wird: in internationalen Konflikten und Machtkämpfen. Da wollen sich die Republikaner natürlich nicht das Hardliner-Wasser abgraben lassen. John McCain, republikanischer Präsidentschaftskandidat 2008, sprang Clinton also schnell bei: Auf Twitter schrieb er, sie habe recht mit ihrem Vergleich. Ansonsten: Lob und Zustimmung, aber auch Kopfschütteln in den Social-Media-Kanälen. Andere Politiker halten sich bislang mit Kommentaren zurück.  

Wachablösung

Zuletzt trafen Hitlervergleiche meist jemand anders: Angela Merkel. Deutschland kam als eines der wenigen Länder gut durch die Schuldenkrise in Europa. Seitdem ist es das wirtschaftlich stärkste Land und stellt Bedingungen an verschuldete Staaten. Bei Protesten in Griechenland und Zypern trugen Demonstranten deshalb Merkel-Masken oder -Schilder mit Hitlerbart, in Spanien durfte ein Wirtschafts-Professor in der größten Tageszeitung des Landes schreiben, Merkel habe wie Hitler dem Rest Europas den Krieg erklärt.  

Merkels Hitlerbart

Vergangene Woche lachte sich die halbe Welt über einen etwas anderen Hitlervergleich kaputt: Als die Kanzlerin mit ihrem Regierungstross in Israel war, stand sie einen Augenblick so ungünstig, dass Netanjahus Zeigefinger ihr einen Hitlervergleich ins Gesicht zeichnete.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Der Führer is everywhere

Es ist ein beliebter Sport, im Internet Dinge mit Hitlerähnlichkeit zu sammeln. Das, nennen wir es mal Drei-Zimmer-Küche-Bart-Haus ist zu großer Berühmtheit gelangt. Manche Blogs widmen sich nichts anderem als Dingen oder Katzen, die wie Hitler aussehen (die heißen dann zum Beispiel Kitler - Kitten plus Hitler). Dabei gilt die Regel: Je weniger menschlich und je süßer und abseitiger der bildliche Hitlervergleich, desto besser. Das Grauen in einem süßen Kätzchen, auf einem Notenblatt oder im iTunes-Download-Symbol zu entdecken – das macht den Reiz dieser Sammlungen aus.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ja, da lädt jemand Apps runter. Und ja, wer will, kann da einen Hitler sehen.

Godwin’s Law

Überhaupt, das Netz und der Hitlervergleich, die gehören zusammen wie Schnitzel und Pommes. Es gibt sogar ein Gesetz, das erklärt, wie: Godwin’s Law. Dieses – natürlich nicht ironiefreie – Netznaturgesetz besagt, dass bei längeren Diskussionen im Netz mit zunehmender Dauer stetig die Wahrscheinlichkeit steigt, dass jemand einen Nazivergleich bringt. Der Begriff stammt von Mike Godwin und wurde in den frühen Neunzigern geprägt.

Der Fehlschluss

Noch ein bisschen Hitlervergleich-Begriffskunde: Es gibt die sehr wissenschaftlich tönende, weil auf lateinisch formulierte Situation der „Reductio ad Hitlerum“. Klingt hochtrabend, ist aber relativ simpel: Man diskreditiert eine Aussage dadurch, dass man sagt: „Das hat Hitler auch gesagt.“ Die Logik dahinter: Weil Hitler ein böser Mensch und Massenmörder war, war alles, was er gesagt oder gedacht hat, schlecht und falsch. Wenn jemand also dasselbe denkt oder sagt, ist es automatisch auch falsch und schlecht. Diese Herleitung hinkt natürlich genauso wie die Argumentation, dass St.Pauli die beste Mannschaft der Welt war, nachdem sie 2002 den Weltpokalsieger FC Bayern besiegt hatte.  

Heilmeldungen

Wann immer die Nachrichtenlage flau ist, hebt das Magazin Der Spiegel Hitler aufs Cover. So wird zumindest geunkt. Das fand 2013 seinen traurigen Höhepunkt in der Titelgeschichte “Hitlers Uhr” - ja, die Geschichte hatte tatsächlich diesen Inhalt. Mittlerweile schlägt deshalb der Twitteraccount @heilmeldungen jedes Mal Alarm, wenn sich im Spiegel oder auf Spiegel Online eine Hitlergeschichte findet. Ein Blogger hat sich sogar die Mühe gemacht, alle Spiegel-Cover mit Hitler statistisch auszuwerten. Fazit: Die größte Präsenz hatte Hitler in den 90ern. Seit dem Fiasko mit der Uhr war Hitler allerdings nicht mehr auf dem Cover vertreten – vielleicht hat der neue Chefredakteur Wolfgang Büchner ja aus der Monothematik seiner Vorgänger gelernt?  

Der Chef ist nicht Hitler. Nie.

“33 hat sich schon mal so jemand an die Macht gesetzt mit solchen Methoden” – ein Satz, den man zu seinem Chef besser nicht sagen sollte. Gleiches gilt für “Jawohl, mein Führer”, auch wenn es sarkastisch gemeint ist. Mehrere deutsche Gerichte haben bereits entschieden, dass der Vergleich mit Hitler oder NS-Methoden ehrverletzend ist und deshalb unter den Straftatbestand der Verleumdung fällt. Wird jemand mündlich auf diese Weise diffamiert, drohen eine Geldstrafe oder bis zu zwei Jahre Haft. Geschieht es schriftlich, sogar bis zu fünf Jahre. Und selbst wenn das Gericht nicht ganz so streng ist: Gekündigt werden kann man für derartige Äußerungen allemal. Im Fall des Supermarktleiters, der der Chefsekretärin mit “Jawohl, mein Führer” geantwortet hatte, verwandelte das Revisionsgericht die fristlose Kündigung allerdings in eine Abmahnung. Der Mann hatte sich direkt danach für die taktlose Äußerung entschuldigt.  

Vergleichsgeschichte

Nazivergleiche sind nicht nur Sache aufgebrachter Griechen und US-Präsidentschaftsanwärterinnen. Auch deutsche Politiker schrecken davor manchmal nicht zurück – sei es, um einen geplanten Tabubruch zu wagen, oder weil ihr Temperament mit ihnen durchgeht. Hier nur mal die „Best of“:

2002 verglich die damalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin die politischen Methoden George W. Bushs mit denen Hitlers. Beide hätten damit von innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken wollen. Däubler-Gmelin musste Schröder danach den Verzicht auf ihren Posten in der Regierung anbieten.

Helmut Kohl verglich 1986 in einem Newsweek-Interview Michail Gorbatschow mit dem NS-Propagandaminister Goebbels. 2002 sagte er über den damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse, er sei der schlimmste Präsident seit Hermann Göring.

1982 war Oscar Lafontaine noch SPD-Mitglied und Oberbürgermeister von Saarbrücken. Seinem Parteikollegen und Bundeskanzler Helmut Schmidt warf er folgendes vor: „Helmut Schmidt spricht weiter von Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit, Standhaftigkeit. Das sind Sekundärtugenden. Ganz präzis gesagt: Damit kann man auch ein KZ betreiben.“

Text: christian-helten - und charlotte-haunhorst / Bilder: thingsthatlooklikehitler.com, Twitter.com

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