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Bannerwerbung in Peking

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Es ist kalt hier, es windet. Ich friere. Ich sitze im 16. Stock eines Plattenbaus in Peking und der Himmel ist grau. Aber sonst geht es mir gut. Vielleicht sogar zu gut. Ich bin jetzt schon eine Woche hier, und nicht einmal U-Bahn oder Bus gefahren. Taxi fahren ist viel einfacher und so billig, dass mein Gastgeber Simon und seine Mitbewohner sogar jeden Tag damit in die Uni fahren. In den Restaurants gibt es ungefähr für jeden Gast einen Kellner und am Ende zahlt man weniger als in der Kölner Mensa. Es schmeckt aber besser. Nur meiner Freundin Maren schmeckt es gerade nicht so gut. Sie hat wohl etwas Falsches gegessen und gerade eine überdurchschnittlich gut funktionierende Verdauung. Man muss fast aufpassen, sich nicht wie ein kleiner Kolonialherr aufzuführen. Im Plattenbau von Simon gibt es im Aufzug extra eine junge Dame, deren Job es ist, für einen den Knopf zu drücken. Nicht, dass da soviel los wäre wie in einem Hotellift, wo es einen Liftboy gibt – die junge Dame sitzt mit einem kleinen Tischchen und einem kleinen Heizkörperchen in dem Lift, und drückt ab und zu auf ein Knöpfchen. Nie aber auf den Knopf „Erdgeschoss“, den gibt es nicht. Man fängt hier mit der „Eins“ an zu zählen, sonst bringt das Unglück. Abends waren wir bis jetzt meistens bei Simon und seinen Mitbewohnern Michael aus Konstanz und Stéphane aus Frankreich in der WG im Plattenbau, weil wir so kaputt von der Stadt waren. Wir schauen viel DVDs, denn im staatlichen Fernsehen kommen nur Samurai-Telenovelas oder Fußball-Bundesliga mit lustig ausgesprochenen Namen. Die DVDs hier sind für uns sehr billig – an kleinen Schriftzügen links unten im Bild wie „For Jury only“ darf man sich nicht stören, wenn man neue Filme wie „Syriana“ anschaut. Man weiß ja jetzt, dass einer der Oskar-Juroren subversiv mit der Raubkopierer-Mafia zusammenarbeitet. Bei CDs ist es ähnlich: kosten ein paar Pfennige und haben tolle Überraschungen zu bieten. Oft sind die Fälscher so fürsorglich, noch eine „Best Of“ der betreffenden Band in die Hülle hinein zu schmuggeln. In Coldplay-Alben finden sich Poster von Metal-Bands aus den Achtzigern und manchmal liegt einem Gorillaz-Album noch eine CD von 50 Cent bei.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Meine CDs, auf die ich in mühevoller Frickelarbeit meine Platten überspielt hatte, musste ich noch einmal umbrennen. Die CD-Player in Elmars Club können nämlich keine MP3-CDs lesen. Hat Elmar zumindest behauptet. Der Club befindet sich ist im vierten Stock eines Hauses im Botschaftsviertel von Peking, und ist eigentlich ein Restaurant. Die sich um ihre Jugend sorgende Stadtregierung hat verfügt, dass alle Clubs um zwei Uhr schließen müssen. Restaurants dürfen länger aufhaben, also sind aus den schlauen Clubbesitzern jetzt schlaue Restaurantbesitzer geworden. Als wir am Freitag am Club angekommen sind, haben wir zuerst Elmars Partner Bill getroffen, einen kleinen Australier mit Kugelbauch. Bill kämpfte vor dem Club mit einem riesigen Banner, auf dem mein Name und „Sound of Cologne“ stand. Die Plane war vom Wind abgerissen worden und hing nun zwischen einer Stromleitung und einigen Bäumen. Bill mit seinem dicken Bauch und seinen kurzen Beinen hing unten dran und versuchte, sie wieder einzufangen. Mein Start am DJ-Pult war ähnlich professionell: Um etwas Zeit zu haben, mir die Geräte anzuschauen, wollte ich erst mal eine Mix-CD laufen lassen. Ich hatte aber nicht bedacht, dass ich die Lieder auf der CD als einzelne Tracks gespeichert hatte – und so war es nach dem ersten Lied plötzlich still. Dann fing das zweite an. Die Gäste merkten nichts – was vor allem daran lag, dass sie zum großen Teil noch nicht da waren. Später war es dann voll, zur Hälfte Chinesen, zur Hälfte Ausländer. Da der Club offiziell ein Restaurant ist, standen überall Tische. Die Mädchen waren schwer aufgebrezelt, trugen viel Schminke und viel Rosa. Die Männer das genaue Gegenteil: unauffällig erdfarben gekleidet, so dass sie sich bei den für die Jahreszeit typischen Sandstürmen nicht sehr von Hintergrund abheben würden. Ab und zu standen sie freudig zum Tanzen auf, nach exakt zwei Liedern setzten sie sich jedoch wieder hin. Vielleicht habe ich nicht herausgefunden, was in Peking so am besten zieht – vielleicht bringt es für Chinesen aber auch genauso viel Unglück, mehr als zwei Lieder zu tanzen, wie ins Erdgeschoss zu fahren. Oder sie wollten Metallica, Madonna und Phil Collins hören. Das scheint hier schwer angesagt zu sein, denn es läuft sehr laut in jedem Frisörläden. In denen war ich nicht drinnen, auch wenn die Leser mich letzte Woche gerne dahin schicken wollten. Ich habe mir am Tag vor dem Abflug noch in Köln die Haare schneiden lassen. Denn dort ist ein Frisör immer ein Frisör – hier in Peking oft ein getarntes Bordell. Protokoll:

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