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Big Trouble in Little China

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Au, mein Magen. Ich bin krank, aber wie. Vor drei Tagen habe ich mir in einer kleinen Straßenbäckerei in einem Hutong (so heißen die kleinen alten Gassen hier in Peking) etwas zu Essen gekauft. Eine Art Brötchen, bei dem unter zwei Zentimetern Frittierfett – Peking ist die weltweite Friteusen-Hauptstadt – etwas Erdnusspaste versteckt war. Hat gut geschmeckt, aber drei Stunden später ging es mir dreckig. Seitdem liege ich hier in der Wohnung flach, mein Aktionsradius ist auf den direkten Weg zwischen Bad und Isomatte beschränkt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

An Auflegen war so überhaupt nicht zu denken, ich habe meinen zweiten Termin sausen lassen. Ich bin aber gut vertreten worden, glaube ich. Nach meinem letzten Aufleg-Termin hatte ich dem Chef-Barkeeper vom Top-Club die CDs mit meiner Musik geschenkt. Ich hatte sie sowieso doppelt. Jetzt hat halt er den „Sound of Cologne“ gespielt. Vielleicht hat ja gar niemand gemerkt, dass nicht ich hinter dem DJ-Pult stand. Vielleicht legt er sie noch öfter auf. Und ich werde hier auf diese Weise auch eine Art Resident-DJ, ohne selbst anwesend sein zu müssen. Aber immer, wenn ich die Kraft dazu habe, ärgere ich mich fürchterlich: Um für den Moment einen vollen Bauch zu haben, verderbe ich mir meinen Magen und damit den Rest des Urlaubs. Wenn es mir morgen besser geht, fahren meine Freundin Maren und ich raus aufs Land. Die Stadt macht uns fertig. Wir stehen fast den halben Tag ängstlich in der Mitte von sechsspurigen Straßen und trauen uns nicht, weiterzugehen. Das Verkehrschaos ist unglaublich, eigentlich müssten an allen Ecken Rauchschwaden zu sehen seien. Aber irgendwie passiert nie ein Unfall. Wenn man es auf die andere Straßenseite geschafft hat, muss man aufpassen, dass man sich nicht in Drachenschnüren verheddert. Drachen lassen die alten chinesischen Männer immer und überall steigen. Das sieht schön aus, trotzdem haben wir inzwischen genug von Peking. Auch wenn es dadurch mit meiner DJ-Karriere nichts mehr wird.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

In Simons WG hat zwar keiner eine Ahnung, wo man denn hinfahren könnte, dafür haben sie einen 800-Seiten-Wälzer „Insider-Tipps China“, einen „Lonely Planet“ und zwanzig andere Reiseführer ungelesen im Regal stehen. Da sucht uns Maren gerade etwas aus. Wir waren schon an einem Stück der chinesischen Mauer, sehr seltsam: Die uralte Mauer auf einen Kilometer top-saniert, als hätte man sie erst letztes Jahr fertig gebaut. Drum herum ein Action-Park, man kann mit der Gondel auf die Mauer hochfahren, runter geht es entweder mit einer Rutsche oder an einem Drahtseil. So habe ich mir eigentlich die Asien-Abteilung von Fantasia-Land vorgestellt. In der Innenstadt kennen wir uns auch schon besser aus, als Simon und seine WG. Die hängen nur an der Uni rum. Der Tianamen-Platz war leider fast immer abgesperrt, erst wegen einer Volkskongress-Sitzung, dann weil Putin zu Besuch war. So muss man immer komplett drum herum laufen – das nervt bei dem riesigen Platz unheimlich. Wenn man aber einmal drum herum gelaufen ist, kann man in das Militär-Museum gehen, das ist sehr fein. Ein riesiger Bunker im sozialistischen Protz-Stil, innen duster wie eine Geisterbahn. Mit Wachspuppen, Pappflammen und jeder Menge Schutt sind dort Szenen aus allen chinesischen Kriegen nachgestellt. Außerdem gibt es neben erbeuteten Waffen alle chinesischen Krieggeräte zu sehen. Davor Infotafeln, auf denen auf Chinesisch die technischen Daten verzeichnet sind, darunter steht groß auf Englisch: „MADE IN CHINA“. Die chinesischen Kinder springen auf Panzern herum und werden von stolzen Papas und Maren fotografiert. Maren hat etwas im Reiseführer entdeckt, das sollte ich mir mal anschauen. Ein schönes Ausflugsziel auf dem Land, wir könnten mit dem Bus hinfahren. Falls ich morgen schon transportfähig sein sollte. Wir hätten mein Tagebuch wohl besser „MagenkrankInPeking“ nennen sollen. Protokoll:

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