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Die Elektronische. Mit Kalkbrenner, Eulberg und Trickski

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Dominik Eulberg - "Diorama" Dominik Eulberg betritt mit seinem neuen Werk das Reich der Naturwunder. Beraten vom Naturschutzbund (NABU) wählte er elf mirakulöse Erscheinungen und komponierte ein grünes Konzeptalbum, was er im Interview bei Beatportal ausführlich erzählt.

Diese seine Vorliebe für das Organische zeigten schon die Vorgänger „Flora & Fauna“, „Heimische Gefilde“ und „Bionik“ - letzteres eine Hommage an die intelligentesten Ingenieurstücke der Tierwelt. Und erneut klingen Tracks und namengebende Phänomene wieder so natürlich wie fantastisch: „Teddy Tausendtod“ ist Eulbergs Kosename für einen teddybärartigen Mikroorganismus, der mehrmals vertrocknen und wiederauferstehen kann, und damit unsere Annahmen von Leben und Tod auf den Kopf stellt. „Das Neunauge“ stellt das Leben eines Meeresbewohners dar, der seine ersten 5000 Jahre als Wurm existiert, um dann zum neunäugigen Fisch zu mutieren. Das größte Wunder, der vielleicht beste Track erklärt sich jedoch von selbst: „H2O“ perlt leichtfüßig und schiebt machtvoll, klingt zart und lebendig und bedrohlich zugleich. In jeder Sekunde dieser Musik steckt viel Können und Hingabe, so dass Konzentration seitens des Hörers verlangt und mit dem möglicherweise besten Album des Jahres belohnt wird. Eulberg fordert uns damit auf, aufmerksam zu sein. Denn die spektakulärsten Sensationen, die größten Wunder sind nur bei genauer Betrachtung zu sehen. Und zu hören.

„H2O“:

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AKA AKA & Thalstrøem

Wenn ich in fünf Minuten aus dem Haus gehe, und mich für das bevorstehende kleine Abenteuer aufheitern möchte, schmeiße ich "Varieté" an. Es weckt meine Lebensgeister, lässt mich ein bisschen durchatmen, macht Mut. 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Weil es leichte, frische, smarte, tolle elektronische Musik ist; abwechslungsreich, anschmiegsam und wie gemacht für die derzeitige Frühlingsschwingung. Mit dabei sind gar eine Rockgitarre, ein Didgeridoo und superschöne Vocalfeatures wie Betty Lenard beim ersten Track, dem

Portishead-Cover "The Rip" (Video s.u.). Für die Erdung sorgen die von vielen Händen eingespielten Drums und Percussions und nicht zuletzt das Cover von Otto Waalkes (!) Diktatoren-Hymne "Dupscheck".

Die allermeisten Leute, denen ich dieses Album bisher gezeigt habe, waren begeistert. Ich hoffe, Ihr auch.

Das Making-Of mit viel Musik:

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Trickski - Unreality

Ein Sommer fühlt sich bisweilen recht langsam und träge an. Dazu passend entschleunigt das Berliner Produzentenduo Yannick Labbé und Daniel Becker alias Trickski. Unterhalb der 125 BPM findet sich mehr als genug Rhythmik, es muss nicht immer auf die vielzitierte "zwölf" gehen. Entspannt Euch. Und diese Abchillung scheint Trend und Untersuchungsgegenstand, wenn sogar die De:Bug demnächst ein Special zu SlowHouse bringt. Unbesehen dieses Überbaus jedoch ist "Unreality" ein schönes Album, mit etwas kitschigen Vocalfeatures (Fritz Kalkbrenner bei "Without You") und ironischen Interludes ("Jazzmagazine"), ein paar tollen Ideen und viel Liebe zum Detail. An dieser Stelle könnte jetzt die müßige Unterscheidung zwischen Heim- und Clubmusik folgen. Lassen wir das lieber. Das relativ repräsentative "Wilderness":

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

autoKratz

Ich habe lange nachgedacht, ob ich diese Platte hier erwähnen soll. So aufgeschlossen ich für elektronischen Pop und ein bisschen Pathos über Beats bin, so wenig leuchtet mir ein, warum man 2011 klingen müsste wie hyperaktive Pet Shop Boys. Vor knapp zwei Jahren schrieb ich dem Vorgänger "Down & Out in Paris & London" noch Hit-Potenzial zu, dieses Mal klingen autoKratz wie lasche Zuckerwatte mit Sägespänen. Da hilft auch ein Feature von Peter Hook (Joy Division / New Order) nichts. Oder haben sich nur meine Hörgewohnheiten drastisch verändert? Bin ich zu alt? Was fange ich an mit einem überproduzierten Album, das austauschbare Textfragmente in klebrigen Melodien mariniert? Als Beispiel "Opposite of Love". Sagt nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt.

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Arthur Oskan - "A little more than everything"

Ein einleuchtenderes Konzept vertritt hingegen Arthur Oskan auf seinem ersten Longplayer. Der Torontoianer gilt nicht nur unter dem Alias Meyer Briggs als Meister der analogen Live-Performance, sondern erweist sich auch als konsequenter Produzent satter Tech House Knaller, die man nicht weiter beschreiben muss. Höre "Morning Calling":

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Paul Kalkbrenner

Er nu wieder. Paul Kalkbrenners Entwicklung vom Techno-DJ zum Filmschauspieler zum Popstar zum Frontunterhalter wird anlässlich seines neuen Albums "Icke wieder" vielfach wiedergekäut. Man kann sich streiten: Hätte er in Afghanistan vor Bundeswehrsoldaten spielen dürfen? Ist seine Vermarktungsmaschine der totale Ausverkauf? Klingt sein Bruder besser? Ich beschränke mich an dieser Stelle darauf, mir sein neues Album anzuhören, denn (Achtung Floskel!): Letztlich zählt nur die Musik. Die Tracks mit berlinerisch-affigen Titeln wie "Jestrüpp" oder "Kroppzeuch" tönen unverwechselbar nach Kalkbrenner: Krisper Sound, packende Harmonien, entspannter Aufbau. Dass Kalkbrenner eben nicht das befürchtete und kommerziell sinnvolle Pop-Album gemacht hat, merkt man an den fehlenden Songstrukturen. Kaum ein Track hat so etwas wie eine Hook, oft fehlt den linearen Spannungsbögen der Höhepunkt. Das kann man mutig nennen, weil Kalkbrenner sich offensichtlich weigert, dem Publikum die "Arme hoch"-Momente vorzustanzen, oder schade, weil viele gute Ideen dadurch etwas auslaufen. Man freut sich über einen Anfang, hört genau hin, wartet auf den Klimax - und dann ist der Track vorbei. Dennoch: Kalkbrenner macht gute Musik, und "Icke wieder" ist ein gutes Album. Live wird er einen Gang hochschalten und sein breites Publikum zufrieden stellen. Und alle sind glücklich.  Album-Preview mit allen Tracks:

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Prommer and Barck - Alex and the Grizzly

 

Und noch eine Kooperation, die mir fast entgangen wäre: Alex Barck, Gründer von Jazzanova und dem SonarKollektiv, verbündet sich mit Christian Prommer, der zuletzt DJ Hells "Teufelswerk" produziert hat. Zusammen haben sie ein Album gemacht, das von überzeugendem Songwriting und der Lust an Melodien lebt. "Everything" ist eine Sommerhymne, "Gladys Knight" hebt den NuJazz in die Zukunft. Man hört den zwei erfahrenen Produzenten den Spaß an diesem Projekt an und freut sich auf die Live-Auftritte. Hier einer im Berliner Weekend:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Niko Schwind - Good Morning Midnight

 

Anfangs doch sehr housy, nimmt die erste Platte von StilvorTalent-Boy 

Niko Schwind spätestens mit dem vierten Track "People" an Fahrt auf. Tracks wie eben "People" prägen sich ein, Partybenzin wie "Back from the Bar" wird nicht die Welt verbessern, aber vielleicht das nächste Warmup. "Master Of Ceremony" klingt mit seinem gebrochenen Beat fast wie die Artful Dodgers damals, wenn hier auch nur Label-Chef Oliver Koletzki mitgewirkt hat. Welcher dem Niko auch seine Partnerin Fran ausleiht, die "Good Morning" wünscht. Harmlos, aber schön.  Im Video zu "Midnight" liest Niko Schwind lässig Nadolny - und die Zeit auf einer stilbildenden Casio ab:

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Arnauld Rebotini - Someone Gave Me Religion

 

Seit ich mein Herz an die hier beschrieben Musik verlor, bedauere ich die eingeschränkte Möglichkeit ihrer Performanz. Die elektronische Tonerzeugung bietet einfach nicht die spektakulären Möglichkeiten einer Rock-Band, der Produzent als Nerd nicht die Bühnendynamik einer Gruppe von schwitzenden Lederjacken. Dennoch gibt es auch hier einige Künstler, die ihr Oeuvre adäquat auf die Bühne bringen wollen und können. Arnauld Rebotini, der soeben sein Album "Someone Gave Me Religion" veröffentlichte, baut dazu mehrere Synthesizer, Drum Machines, Sampler und sonstige Gimmicks auf, filmt sich mit zwei Kameras und zeigt das ganze auf großen Bildschirmen. Stroboskob dazu, fertig. Dass das gut klingt und aussieht, beweist folgendes Video. Ach, und das Album ist auch dufte, siehe unten.

"Personal Dictator"

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In Flagranti - Latter Day Methods (Moullinex Dub)

 

Die Mode der Retro-Videos zu Tracks, die eigentlich keine Videos hätten, finde ich sinnvoll. Das ist postmodernes Recycling alter Kunstmasse zu Gunsten der Verbreitung von - in diesem Fall - Funky House. Gut.

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