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Die neuen Facebook-Emojis machen die Nutzer noch gläserner

Illustration: Katharina Bitzl

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Facebook hat den Like-Button also nun um Emojis erweitert. Statt Posts und Beiträge einfach nur zu mögen, kann man mit diesen sogenannten Reactions jetzt auch die Regungen "wütend", "traurig", "wow", "haha" und "Liebe" ausdrücken. Klingt nach einer netten Erweiterung? Ist tatsächlich aber vor allem ein Tool, mit dem das Unternehmen seine Nutzer noch genauer analysieren kann als vorher. Sagt zumindest Stefan Rüping, Geschäftsfeldleiter Big Data Analytics beim Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS.

Herr Rüping, Datensammler auf der ganzen Welt dürften über die Möglichkeiten, die ihnen Emojis auf Facebook bieten, jubeln, oder?

Zunächst mal ist es auf jeden Fall ein interessantes Feld, ja. Wobei wir, wenn wir über wirkliche Big-Data-Analysen reden, erst noch sehen müssen, wie Menschen die Emojis benutzen. Das meint: wie häufig – und in welchem Kontext. Nutzer entwickeln da ja fast schon eine eigene Grammatik. Um die Informationen, die Emojis liefern können, zu analysieren, muss man erst mal wieder verstehen: Was wollen Leute damit jetzt eigentlich sagen?

Sie würden aber der These grundsätzlich zustimmen, dass es Facebook bei der Einführung von Emojis darum geht, seine Nutzer besser analysieren zu können?

Ich denke schon, ja. Der Facebook Algorithmus ist darauf ausgelegt, den Leuten die Posts zu zeigen, die für sie Relevanz haben. Je mehr Informationen ich dafür habe, je mehr Informationen ich also in den Platzierungsalgorithmus einfließen lassen kann, desto besser geht das.

Und desto zielgerichteter kann Facebook auch Werbung ausspielen.

Richtig. Wobei der Effekt noch weitergeht: Unternehmen können in sozialen Netzwerken inzwischen auch sehr genau abfragen, was Leute über ihre Produkte denken.

Wie das?

Indem emotionale Äußerungen in Posts analysiert werden. Früher musste man mit Umfragen herausfinden, wie Konsumenten zu einem Produkt stehen. Heute reicht es, dass sich etwa bei Twitter jemand über irgendwas lustig macht – und andere darauf reagieren.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das dürfte mit den Emojis leichter werden.

Ja. Bislang musste man hauptsächlich Texte analysieren. Und stand da recht schnell vor dem Problem: Wie erkenne ich zum Beispiel Ironie, die ich nicht direkt aus dem Text herauslesen kann. Ein Algorithmus versteht ja den Inhalt eines Textes nicht. Er analysiert nur bestimmte statistische Merkmale und Begriffe.

 

Ein Beispiel vielleicht?

Wenn ich schreibe „jetzt.de ist toll!!!“ ist das etwas ganz anderes, als wenn ich schreibe „jetzt.de ist toll …“. Im zweiten Fall ist dieselbe Aussage negativ gemeint. Würde ich jetzt ein Zwinkersmiley oder ein wütendes Smiley hinter der Aussage machen, wäre die Einordnung noch eindeutiger. Es würde die Bedeutung des Satzes extrem modifizieren. Und das könnten Algorithmen erkennen.

 

Wie weit sind Computer bei der Analyse von Emotionen in Texten denn inzwischen?

Das kann man pauschal nicht sagen, weil man zwei Dinge unterscheiden muss: Es gibt Sätze, bei denen ich den Sinn sofort erkenne – entweder, weil es keine zweite Ebene gibt oder weil etwa Ironie direkt als solche markiert ist, beispielsweise durch Zwinkersmileys. Und es gibt Sätze, die ich inhaltlich verstehen muss, um die Ironie zu erkennen. Zum Beispiel im Satz: „Das passt wie Gurken auf die Torte.“ Computer können nicht erkennen, dass Gurke und Torte eben gerade nicht zusammenpassen, weil es völlig unterschiedliche Geschmacksrichtungen sind. Dazu bräuchte es zu viel Wissen. Beim einfachen Bewerten von Sätzen über simple Statistik sind sie aber schon ziemlich weit. Da sind wir inzwischen schnell mal bei einer Genauigkeit von 70 bis 90 Prozent. Was aber alles noch deutlich von 100 Prozent entfernt ist. Und da hilft es natürlich, wenn ich durch die Emojis bereits eine relativ verlässliche Emotion mit einer Aussage verknüpft habe.

 

Lässt sich in Zahlen ausdrücken, wie viel mehr Analysemöglichkeiten man durch die fünf Emojis hat?

Nein, das kann man noch nicht. Aber das ist an diesem Punkt auch noch nicht entscheidend. Man versucht wohl eher, die Leute zu überreden, überhaupt etwas zu sagen.

 

Weil sie das in Fällen, in denen ein Like bislang unangemessen erschien, sonst nicht getan hätten?

Genau. Dadurch, dass ich jetzt sagen kann: „gefällt mir nicht“ beziehungsweise „macht mich traurig oder wütend“, sind vermutlich viel mehr Leute bereit, überhaupt etwas zu sagen. Und so geben sie in der Masse mehr Informationen preis.

 

Funktioniert das immer noch nur über die Masse, also Big-Data-Analysen? Oder kommt Facebook durch die Emojis auch an die Analyse des Individuums näher ran?

Facebook gibt den Nutzern damit zumindest noch mehr Möglichkeiten, Informationen herauszugeben. Die große Hoffnung wird sein, dass die Nutzer das auch wirklich annehmen und sich daraus automatisch über die Algorithmen Informationen ergeben. Inwieweit die Leute das dann auch wirklich tun, und ob diese Informationen wirklich sinnvoll sind, das muss sich noch zeigen. Ganz unwahrscheinlich ist beides aber nicht. 

 

 

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