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Ausländische Filme nur noch im Original mit Untertiteln? Ein Fall für Zwei

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Philipp Mattheis singt ein Hoch auf die Synchronisation!

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ihr seid so cool. Ihr, die ihr Filme nur im Original anschaut. Allein am Klang des Wortes „Original“ geilt Ihr euch auf. Es verheißt Euch Echtheit, hebt Euch ab von der dumpfen Masse der deutschsprachigen Spießbürger, umweht euch mit dem Hauch des Kosmopoliten. Als Rechtfertigung genügt euch ein Auslandssemester in Stockholm, weil es in andern Ländern „halt voll normal ist, dass Filme in Englisch laufen, weil echt nur in Deutschland alles synchronisiert wird.“ Ihr Möchtegernleinwandpuristen, die ihr euch im polyglotten Sumpf der Unverständlichkeit suhlt. Denn sind wir mal ehrlich: Wenn einer von Euch „Originalisten“ nicht gerade die letzten fünf Jahre in den USA gelebt hat, versteht er mindestens ein Drittel des Films nicht. Einen Großteil eurer cineastischen Energie verwendet ihr dann darauf, diese Verständnislücken zu kaschieren. Aber das ist Euch ja egal – Hauptsache, Ihr schnappt ein paar englische Wortfetzen auf, die Ihr irgendwann zu sozial sensiblen Zeitpunkten zitieren könnt, um Eure vermeintliche Coolness zu steigern. Wenn es mit dem Zitieren nicht hinhaut, genügt auch ein elitärer Augenaufschlag garniert mit dem Satz: „Ich schau Filme ja nur im Original.“ Ja, toll, Glückwunsch, Mr. Sprachgenie! Gesteigert wird eure philologische Selbstverliebtheit nur noch von wirren Exemplaren, die sich Filme nicht im englischen, sondern im französischen oder spanischen Original ansehen. Die dann zwar überhaupt nichts mehr verstehen, aber mit stechendem Blick felsenfest behaupten, dass sich die wahre Größe eines Almodóvar-Films nur auf Spanisch erschließe und ja ein Kulturbanause sein müsse, wer sich Godard-Filme in der deutschen Übersetzung ansieht. Irgendwie ist Euch entgangen, dass wir nicht in Usbekistan leben, wo synchronisierte Fassungen tatsächlich das größere Übel sind, weil die Stimmen noch zehn Sekunden lang sprechen, während sich der Mund des vermeintlichen Sprechers schon längst nicht mehr bewegt. Bei Blockbustern hierzulande wird so viel Geld in die deutsche Synchronisation gesteckt, dass qualitativ nur in den seltensten Fällen etwas verloren geht. Und selbst bei Low-Budget-Produktionen wiegt die Verständlichkeit den Verlust des einen oder anderen Sprachwitzes auf. Die Einzigen, denen etwas verloren geht, seid ihr Originalfetischisten. Weil eure Augen entweder permanent den Untertiteln folgen müssen oder ihr schlicht auf einen Teil der Handlung verzichtet. Das wäre eigentlich allein euer eigenes Problem, wenn ihr nicht mit dieser Ich-bin-ach-so-polyglott-Attitüde herumstolzieren würdet. Auf der nächsten Seite: Christina Waechter mit ihrem glühenden Plädoyer für Original-Fassungen samt Untertiteln.


Christina Waechter sagt: Geh' mir weg mit Synchronisiertem!

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Jaha, schimpfen kann ja so einfach sein. Aber es ist doch nun mal so: Die Serie „The Sopranos“ beispielsweise spielt nun mal in einem italo-amerikanischen Mafia-Milieu in New Jersey – ein nicht ganz unwichtiges Detail in dieser Serie. Da wirst du mir doch zustimmen, oder?! Dann bitte jetzt aufpassen: Man kann natürlich sagen, dass es in erster Linie darauf ankomme, die Handlung zu verstehen. Aber man verpasst meines Erachtens nach sehr viel mehr, als wenn man hin und wieder an den unteren Rand des Bildschirms schaut! Denn was in deiner synchronisierten Fassung nicht durchdringt, ist das, was diese großartigen Schauspieler sonst noch machen. Ihre Stimme, der Dialekt, die Sprachfärbung, die Lautstärke. Allein die Tatsache, dass sich James Gandolfini alias Tony Soprano durch sieben Staffeln schwer atmend bewegt, immer unterschwellig am Rande eines Herzinfarkts, muss dir entgangen sein, weil darauf in der deutschen Fassung einfach verzichtet wurde. Klar, man kann einen verschliffenen Mafioso-Akzent ungefähr ins Deutsche übersetzen und in Ermangelung einer großen deutschen Mafia-Szene das Ganze ins deutsch-türkische oder polnische Milieu übersetzen. Aber das wirkt fast immer nur sehr: dumm. Und ist kein bisschen korrekt. Also machen es sich die deutschen Synchron-Stimmen einfach und bleiben bei ihrem hochdeutschen Gerede. Auch dein Argument, dass wir elementare Ereignisse verpassen, weil wir uns so angestrengt auf den Untertitel konzentrieren müssen, hakt im Zeitalter der DVD und von Youtube ein wenig. Kapiere ich etwas nicht so recht, spule ich einfach zurück, schau mir alles noch einmal an, diesmal womöglich sogar mit Kommentar und bin noch ein klein wenig schlauer als zuvor. Und im Übrigen gewöhnt man sich extrem schnell daran, da unten etwas zu lesen und da oben gleichzeitig mitzuschauen. Sicher hast du nicht ganz unrecht, wenn du behauptest, dass viele von uns Originalversion-Verfechtern auch den Coolness-Aspekt im Auge haben. Denn wir profitieren sehr viel mehr von den Originalen, als ihr von synchronisiserten Fassungen: Es ist durchaus hilfreich, sich ein paar Brocken düsterer Drohungen abzuschauen oder auch niedliches Liebes-Geflüster - für den nächsten Urlaub im Ausland. Die einzige Serie, bei der ich deiner gewagten These uneingeschränkt beipflichten würde, sind die „Simpsons“ – denn bei denen ist die deutsche Fassung mindestens genauso gut, wie die amerikanische. Andererseits taugen die Simpsons auch sehr gut als Beispiel für meine Argumentation: Als die Serie noch nicht von dem brillanten Pro7-Synchron-Regisseur Ivar Combrinck und seinem Team synchronisiert wurde und im Programm des ZDF über den Schirm lief, wurde sie bald abgesetzt. Woran das lag? Ganz bestimmt nicht an der schlechten Qualität der Serie selbst. Sondern daran, dass die Dialoge miserabel übersetzt waren.

Text: philipp-mattheis - und Christina Waechter; Illu: Katharina Bitzl

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