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Jugendwart Sven Friebel aus Ditzum will Flüchtlingskind Aleksandra zurückholen
Ditzum ist ein kleines Fischerdorf in Ostfriesland. Und obwohl das Nest im Norden Deutschlands eigentlich ein geruhsames Dasein führt, bekommt es gerade ziemlich viel Aufmerksamkeit. Dafür ist der Jugendwart der örtlichen Jugendfeuerwehr, Sven Friebel, mit seinem Facebook-Post verantwortlich.
Menschlichkeit kennt keine GrenzenHeute hat der NDR einen Beitrag zur unserem ehemaligen Mitglied Aleksandra gesendet....
Posted by Jugendfeuerwehr Ditzum on Saturday, January 23, 2016
Im Dezember musste die elfjährige Aleksandra, die Mitglied der Jugendfeuerwehr war, mit ihrer Familie zurück nach Serbien. Obwohl sie kurz vorher sogar noch in einem Integrationsvideo des niedersächsischen Innenministeriums aufgetaucht war. Die Entscheidung, die Familie abzuschieben, ist rechtens, denn Serbien wurde mittlerweile als sicherer Drittstaat eingestuft. Das Problem ist nur: Bei Aleksandras Familie handelt es sich um Roma, denen es in ihrer Heimat alles andere als gut geht. Friebel erzählt im Interview von seinem Kampf für eine Rückkehr der Familie.
Wie war die Reaktion in der Jugendfeuerwehr, als die Abschiebung der Familie bekannt wurde?
An dem Tag, am 16. Dezember, hatten wir die Weihnachtsfeier der Jugendfeuerwehr geplant. Ich habe an dem Morgen einen Anruf des Vaters bekommen, dass sie gerade im Bus sitzen und zum Flughafen gebracht werden. Sie wurden in der Nacht abgeholt, ohne konkrete Vorwarnung. Als ich den Kindern erzählt habe, dass Aleksandra abgeschoben wird, waren diese sehr geschockt.
Wie lange war die Familie schon in Deutschland?
Das erste Mal war die Familie 2014 hier. Sie blieb ein halbes Jahr, ist dann aber untergetaucht. Im März 2015 kam sie wieder und hat einen Folgeantrag auf Asyl gestellt. Immer wieder versuchten die Eltern es, mit Hilfe ärztlicher Atteste, über einen Anwalt – aber am Ende entschied die Härtefallkommission, dass kein Grund besteht, dass die Familie hier bleibt.
Aleksandra schien gut integriert zu sein.
Sie war sogar sehr gut integriert. Sie war im Tanzverein und bei der Feuerwehr mit dabei. Ihr ältester Bruder hätte Fußball spielen anfangen sollen, ein zweiter wollte eine Ausbildung bei der Bäckerei beginnen. Das geht jetzt nicht mehr. Die Schulbildung ist mit der Abschiebung vorbei – in Serbien, als Roma, haben sie eigentlich keine Chance, diese zu beenden. Sie stehen jetzt vor einem Scherbenhaufen.
"Alle schreien 'Integration, Integration' – und wenn ein Kind die Chance bekommt, sich wohl zu fühlen und gebraucht wird, wird es abgeschoben."
Das Mädchen taucht auch in dem Image-Film „Ja zur Feuerwehr“ auf, einem Werbefilm des niedersächsischen Innenministeriums über erfolgreiche Integration.
Das Video wurde gedreht, um Mitglieder für die Freiwillige Feuerwehr anzuwerben und um zu zeigen, dass Integration gelingen kann. Bei der Feuerwehr gibt es das eher selten, dass Kinder mit Migrationshintergrund Teil des Teams sind. Der Film hatte eine große Resonanz. Wir waren sehr geschockt, dass mit Aleksandra das Gesicht des sehr erfolgreichen Filmes jetzt nicht mehr da ist. Auf Facebook habe ich meiner Schreibwut freien Lauf gelassen – ich hatte nicht damit gerechnet, dass das so große Wellen schlagen würde.
Aber für sie ist das doch gut so.
Ja. Alle schreien „Integration, Integration“ und dann, wenn ein Kind die Chance bekommt, sich wohl zu fühlen, Freundschaften schließt und auch gebraucht wird, wird es abgeschoben. Rechtlich und politisch ist es korrekt – aber menschlich? Der Film hat für uns jetzt keinen Wert mehr.
Sie versuchen nun, die Familie zurückzuholen?
Ja, das hat aber nichts mit der Jugendfeuerwehr zu tun, sondern ist aus einem privaten Antrieb heraus entstanden. Zusammen mit den Helfern, die die Familie betreut haben, versuchen wir, über einen Anwalt eine Lösung für die Rückholung zu finden.
Das Schicksal der Familie scheint Ihnen ziemlich nahe zu gehen.
Ich kenne die Familie gut. Man hat sich gegenseitig geholfen, ab und zu Kaffee zusammen getrunken. Am Ende haben wir versucht, ein Auto für die Familie zu besorgen, denn der Vater ahnte, dass sie bald abgeschoben werden würden. Das offizielle, letzte Datum der Abschiebung war auf den 16. Januar. 2016 gesetzt. Der Vater aber wollte einer Nacht-und-Nebel-Abschiebung vorgreifen und selbst mit dem Auto zurück nach Serbien fahren. Mit dem Auto und dem Anhänger hätte er auch viel mehr Möglichkeit in Serbien gehabt, ein sicheres Dasein aufzubauen.
Abgeholt wurden sie aber am 16. Dezember.
Noch rechtzeitig ein Auto zu besorgen, hat nicht geklappt. Die Familie hat mit ihrem ethnischen Hintergrund keine leichte Position in Serbien, sie sind Roma und dort nicht sehr angesehen. Ein Mann, der Mitleid mit ihnen hatte, hat ihnen nun ein Zimmer zur Verfügung gestellt. Dort leben sie jetzt zu siebt, auf 15 Quadratmetern.
Sie stehen noch in Kontakt mit der Familie?
Ja, meine Tochter und Aleksandra schreiben sich regelmäßig, entweder per WhatsApp oder Facebook. Ich bin in Kontakt mit den Eltern oder mit dem großen Bruder.
Wie reagiert Ditzum auf die Abschiebung?
Offizielle Stellen sind nicht bereit, sich dazu zu äußern. Das Dorf ist zugegebenermaßen zwiegespalten – die eine Hälfte ist dafür, dass die Familie bleibt. Die anderen begrüßen es, dass sie zurück nach Serbien musste. Das sind die, die sagen: "Was wollen die denn noch hier? Die kommen aus Serbien, da ist es sicher, also tschüss." Das ist leider so. Aber dass die Familie dort ihr Haus und allen Besitz im Feuer verloren hat und aus dem Dorf dort verdrängt wurde – das wissen die meisten gar nicht.