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Wie wird man kreativ?

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Die Frage:
Warum sind manche Menschen kreativ und andere nicht?

Die Antwort...
suchen wir bei Rainer Holm-Hadulla, Kreativitätsforscher und Psychologie-Professor an der Uni-Heidelberg.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Kreativität ist die Neukombination vorhandener Informationen. Durch die so hergestellten Zusammenhänge wird etwas Neues geschaffen. Allerdings gibt es einen Unterschied zwischen alltäglicher und außergewöhnlicher Kreativität. Alltägliche Kreativität, das sind unsere Träume und die Faszination, die etwa Kinder für gewisse Dinge aufbringen. Außergewöhnlich ist Kreativität, wenn ihr Produkt für andere relevant wird. „Die Fähigkeit zu alltäglicher Kreativität ist jedem in die Wiege gelegt", sagt Holm-Hadulla, „aber auch die Fähigkeit zu außergewöhnlicher Kreativität können viele entwickeln."

Dabei können Menschen in verschiedenen Domänen kreativ sein: ob ökonomisch, wissenschaftlich oder künstlerisch. „In ihren Produkten ist Kreativität verschieden, aber es gibt bestimmte Voraussetzungen, die gegeben sein müssen", so Holm-Hadulla. Man müsse neugierig sein und ein persönliches Interesse an einer Idee haben, um daraus die Motivation zu ziehen, Neues zu schaffen. „Man kann es herausfordern, Einfälle zu haben", sagt der Psychologe. Dazu gehören Charaktereigenschaften wie etwa eine hohe Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen, die sozusagen die Rahmenbedingungen für Kreativität schaffen. Neben diesen Persönlichkeitseigenschaften und der Motivation, kreativ sein zu wollen, hat Holm-Hadulla hat drei Faktoren bestimmt, die erforderlich sind, um kreativ zu sein.

Etwa Begabung: Die kann man laut Holm-Hadulla fördern, beziehungsweise herausfordern. „Kindern sollte man immer wieder Angebote zur Kreativität machen, ihnen aber auch beibringen, etwas durchzuziehen – das Bild zu Ende zu malen und nicht nach wenigen Minuten aufzuhören."

Wissen und Können sind weitere Faktoren, die man sich aneignen könne. Die einzige Zutat, die man durch eigene Anstrengungen nur schwer beeinflussen kann, sind die sogenannten Umgebungseigenschaften. „Wenn jemand zum Beispiel ein genialer Musiker sein könnte, aber bis zu seinem 25. Lebensjahr nie ein Musikinstrument in der Hand gehalten hat, wird sich sein Talent wahrscheinlich nur ausnahmsweise zur außergewöhnlichen Blüte entwickeln können", erklärt der Heidelberger Psychologie-Professor.

Doch selbst wenn diese fünf Faktoren erfüllt und damit die Rahmenbedingungen geschaffen sind, gibt es noch genügend Stellen im Kreativitätsprozess, an denen Menschen scheitern können. Manchen Begabten fehlt in der Vorbereitungsphase die Geduld, sich das notwendige Wissen und Können zu erwerben. Auch in der zweiten Phase des Kreativitätsprozesses, die Holm-Hadulla „Inkubation" nennt. Hier kommen Eigenschaften wie Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen zum Tragen. „Man muss zum Beispiel lernen, die Spannung zu ertragen, ein leeres, weißes Blatt vor sich zu haben. Wenn sich die zündende Idee nicht einstellt, darf man nicht weglaufen und sich durch ziellose Nutzung von Computer, Fernseher oder Handy ablenken." Oder gar in ganz andere Welten flüchten und zu Drogen greifen, wie es schon viele Künstler getan haben, die diese Phase nicht mehr ertragen konnten. „Die meisten nehmen erst Drogen, wenn sie nicht mehr kreativ sind", so der Kreativitätsforscher. „Dabei gibt es keine Droge, die die Kreativität steigert", betont Holm-Hadulla, „Im Zweifel ist man trotz Drogen kreativ, aber nicht wegen ihnen."

Wenn man diese Inkubationsphase jedoch durchsteht, kann sich ein wichtiges neuropsychologisches Phänomen abspielen: das sogenannte „Random episodic silent thinking" (Rest). Damit meinen Neuropsychologen jene Prozesse im Gehirn, die ablaufen, wenn man gerade keine konkrete Aufgabe bearbeitet, sondern einfach still vor sich hinträumt und Gedanken am Bewusstsein vorbei verarbeitet werden. In dieser Phase kommunizieren verschiedene Hirnareale miteinander und stellen neue Assoziationen her.

Aus diesen Rest-Phasen heraus kann es dann zur nächsten Phase des Kreativitätsprozesses kommen, zur „Illumination". Dahinter verbirgt sich das, was wir gerne mit verschiedenen Begriffen beschreiben: Der Aha-Effekt, das aufgehende Licht oder der gefallene Groschen. Auch wenn dieser Teil des Kreativitätsprozesses ist wohl der bekannteste ist, ist er doch der unwichtigste, weiß Holm-Hadulla aus Gesprächen mit vielen Künstlern, weil sich die originellen Ideen meistens automatisch während der kreativen Arbeit einstellen. „Übrigens bedeutet Kreativität auch, auf Ideen zu verzichten", sagt Holm-Hadulla.

Das ist wohlmöglich eine gute Übung für die nächste Stufe des Prozesses, der Realisation der Idee. Auch hier sind wieder Eigenschaften wie Durchhaltevermögen gefragt, bis schlussendlich die letzte Stufe des Kreativitätsprozesses erreicht wird, nämlich die „Verifikation", bei der der Kreative seine Idee darstellt und zeigt. „Kreativität ist immer auch ein kommunikativer Prozess", sagt Holm-Hadulla. Bei der alltäglichen Kreativität entscheidet man selbst im inneren Monolog, ob man mit seinem Einfall zufrieden ist und den eigenen Ansprüchen gerecht wird. „Aber was außergewöhnlich kreativ ist, das entscheiden immer die Anderen."

Text: gianna-carina-gruen - Foto: AST49 / photocase.com

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