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G8-Blog: Die schwimmenden Aktivisten im Rostocker Stadthafen

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Am Montagmittag erinnert in Rostock einiges an Samstag: Polizeisirenen und Hubschrauberlärm liegen über der Stadt, die Globalisierungskritiker in den Camps und Informationszentren reden über die Gewalt in der autonomen Szene und diskutieren, ob sie sich davon abgrenzen können und wenn ja wie. Im Stadthafen, wo am Samstagabend "Wir sind Helden" spielten, sammelt ein Helfer Plastikflaschen ein. Im Hafen liegen das Greenpeace-Schiff "Beluga II" und einige andere an der Pier. Sie sind zum G8-Gipfel gekommen. Normalerweise ist der Hafen in Rostock erst im Juli voll mit alten Schiffen: während der HanseSail.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die "Beluga II" ist ein schwimmendes Minibüro. Unten im Schiff sind ein paar Rechner aufgebaut. Annekatrin, 25, schmiert sich in der Küchenzeile gerade ein Brötchen. Sie ist das "Mädchen für alles". Mit Greenpeace auf dem Schiff unterwegs sein, das klingt nach spektakulären Schlauchbootaktionen und Hafenblockaden, aber Annekatrin ist in diesem Jahr noch kein einziges Mal gesegelt. Die "Beluga II" war immer auf Infotour auf Flüssen und Kanälen unterwegs. Die Masten hat die Mannschaft erst in der letzten Woche in Stralsund gestellt. „Bei der Demo kamen ständig Leute zu uns, die Hunger oder Durst hatten, durchgefroren waren und einen Pullover brauchten.“ Annekatrin stand oben auf der Gaffel, als der Demozug am Samstag in den Stadthafen kam. Von dort hatte sie einen guten Überblick. „Erst sah es gigantisch aus, wie der Einzug der Gladiatoren, dann konnte ich sehen, dass es Probleme gibt, die Leute fingen an panisch hin und her zu laufen.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Greenpeace ist nicht gegen den G-8-Gipfel: „Das ist legitim und vor allem auch einfach Realität, dass die sich hier treffen“, sagt der Greenpeace-Klimaexperte Jörg Fetter. „Wir sehen den Gipfel als Chance: Hier treffen sich die acht Staaten, die zusammen für knapp die Hälfte des CO2-Ausstoßes verantwortlich sind. Und wir hoffen, dass die sich hier auf ein verbindliches Ziel einigen, um den Klimawandel zu bremsen.“ Ein paar hundert Meter weiter hinten liegt die "Estelle" aus Finnland. Jyri fährt schon seit 2001 auf dem Schiff und wollte, dass die "Estelle" beim G8-Gipfel in Rostock an der Pier liegt. „Wir wollen den Leuten zeigen, dass eine andere Welt nicht nur möglich ist, sondern dass sie auch schon existiert.“ Die "Estelle" ist für ihn der Beweis dafür. Zehn Jahre hat es gedauert, aus dem ehemaligen Fischkutter ein Segelschiff zu machen. Freiwillige Arbeiter haben einerseits auf dem vierzig Meter langen Schiff Rost geklopft und gleichzeitig in einer Fahrradwerkstatt in Turku gearbeitet, um Geld für das Schiff zu verdienen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das Schiff hat 17 Schlafplätze für die Mannschaft, einen großen Frachtraum und eine Sauna, schließlich ist es ein finnisches Schiff. Neben dem Frachtraum gibt es eine kleine Ausstellung. Hier werden afrikanische Holzskulpturen, Gemälde und große Vasen angeleuchtet. „2002 waren wir in Angola. Wir haben auf dem Hinweg medizinische Geräte und Krankenhausaustattung transportiert und dieses Zeug hier haben wir auf dem Rückweg mitgenommen.“ Eigentlich wollen die Leute von der "Estelle" Frachtreisen machen, von Nord nach Süd fahren und fairen Handel treiben. „Leider ist es ziemlich schwierig, so etwas zu organisieren“, gibt Jyri mit schiefem Lächeln zu, man braucht Partnergruppen, die Kommunikation zwischen Angola und Finnland ist oft schwierig und der Seeweg dahin für ein Segelschiff weit. In diesem Sommer wird die "Estelle" deshalb wieder in der Nord- und Ostsee segeln.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Friedlich sieht es aus, wie die Schiffe vor grauem Himmel und grauem Wasser im Hafen liegen - nur die Sirenen und das Hubschrauberdröhnen erinnern an die Krawalle vom Samstag. Während auf der "Estelle" das Mittagessen ausgeteilt wird, steht Greenpeace-Aktivist Jörg Fetter vor der Beluga II und telefoniert: „Ja, ich komme gerade aus der Innenstadt, da geht es weiter, die ersten Scheiben sind schon zu Bruch gegangen.“

Text: anke-luebbert - Fotos: anke-luebbert

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