Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Wie Google mein Leben verändert. Heute: Dich + Mich suchen

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Wenn man bei Google einen Vor- und einen Nachnamen eingibt, die nicht zu einer Person der Zeitgeschichte gehören, geschieht das bisweilen aus niederen Beweggründen. Niederer Beweggrund Eins: andere ausspionieren Niederer Beweggrund Zwei: insgeheim hoffen, dass der eigene Name in vorteilhaftem Zusammenhang auftaucht und man daraus neuen Elan schöpft. (In letzterem Fall erwarte ich ungefähr solche Foreneinträge wie: „Hey Mädels, kennt ihr den supersüßen Max Scharnigg?“ - „Ja, ich hab ihn neulich von Weitem gesehen!“) Also: Ego-Google. Wer im stillen Kämmerlein nach sich selber sucht, kommt sich gerechterweise gleich ein wenig arm vor, wenn nicht gar egoman und onanös. Beste Ausrede in solchen Fällen zur Selbstberuhigung: „Ich möchte ja nur nicht, dass mein Name in verunglimpfenden Zusammenhängen missbraucht wird.“ Eben. Und bis es soweit ist, ist es natürlich ganz spannend, sich auf diese Weise selber kennen zu lernen. Schädlich ist es auch nicht, das Erweichen des Rückenmarks hält sich in Grenzen, sofern man immer schön aufrecht auf einem Gesundheitsstuhl sitzt. Es sollte das Ego-Google nur vielleicht nicht zur unsympathischen Manie werden (es sei denn, man wird gerade eine Person der Zeitgeschichte), denn dann stellt man höchstens fest, dass der Typ, der genauso heißt wie man selber, schon wieder vier interessante Einträge mehr hat (Eishockey-Torkönig, neues Musikprojekt, Launch eines Grafikbüros..), während das echte Ich immer nur im ewig peinlichen Gedichteforum auftaucht, das doch schon damals vor acht Jahren abgeschaltet gehört hätte.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Andere Menschen zu googlen kann aber natürlich topordentliche Pralinenstimmung verbreiten: Kein einziger Eintrag von der ollen 1,0-Mitabiturientin? Da ist wohl die Karriere etwas ins Stocken geraten, hähä. Und die Ex-, Ex-, Ex-Freundin sitzt tatsächlich als Sekretärin in Jena? Kann das sein? Der Störenfried aus dem Kindergarten ist im AutoTuning-Forum unterwegs, na servus, dem möchte ich nicht auf der Autobahn begegnen. Und so weiter. Via Suchmaschine erlebt man eine ganz neue, passive Form der Kontaktpflege, die bisher Geheimdiensten vorbehalten war. Auch um zu sehen, was die Journalistenkollegen so treiben, ist Google ein ergiebiger Wühltisch, der allerdings Neid genauso gerecht austeilt wie Häme. Und manchmal entschlüpft mir im Gesprächsverlauf der Satz „Ach ja, habe ich schon bei Google gesehen, dass du jetzt bei der ZEIT / in der Fix&Foxi-Redaktion / zweiter Pressesprecher bei Fielmann bist.“ Unbedacht hingeplappert bringt mich das in die ärgsten Erklärungsnöte, denn die trocken retourniert Gegenfrage „Wieso, hast du meinen Namen gegoogelt?“, lässt sich ja wohl nur mit einem kriecherischen „Ja, denn ich lese so gerne von dir“ halbwegs meistern. Nur wackligen Halt gibt Google dem Liebskranken, der mit knöchernen Finger das in die Tastatur gibt, was ihm seit Tagen einzig im Kopf umgeht: den Namen der Liebsten. Denn jede Spur, jedes Zeichen und zerknüllte Taschentuch ist ja wichtig (und vielleicht, vielleicht hat sie irgendwo eine versteckte Liebesbotschaft hinterlegt!). Doch oweh, man liebt ausgerechnet eine Jasmin Bauer und die ersten hundert Google-Treffer kommen nur von Stayfriends-Schuleinträgen aus den hinterletzten Realschul-Käffern und schwupps, schon findet man sie ein bisschen gewöhnlich, die liebe Jasmin. Vergeblich erwünschter Volltreffer wäre hier eine Homepage mit etwa dem Inhalt: „Hallo ich heiße Jasmin Bauer, bin Single, aber heimlich in einen süßen Google-Fan verliebt (er weiß es noch nicht). Trotzdem hier schon mal ein paar ästhetische Fotos, die mein schwuler Mitbewohner von mir gemacht hat…“ Passiert natürlich nicht. Stattdessen findet man eine verblichene Galerie von Abiturfest-Fotos, wo eindeutig die gesuchte Jasmin mit einem überhaupt nicht gesuchten Daniel obszön herumküsst. Vertan ist die Laune! Aber diesen Daniel kann man ja dann immerhin auch googlen, hähä, sitzt im Beraterteam der HEK, hähä, der Depp.

  • teilen
  • schließen