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Gurk macht mit: Heute als Bio-Fanatiker

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Mann, mann. Bio ist schwerer als gedacht: Die letzten paar Wochen hab ich meine Zeit damit verbracht, besserwisserisch über alternative Anbaumethoden, Klimabilanzen und Naturkostmarken zu fachsimpeln. Eine kleine Wissenschaft. Mit eigenen Experten, Fanatikern und einem großen Haufen Faktenhubern. Ich gehöre dazu. Und das muss aufhören. Langsam wird’s zu einer Obsession. Gute Vorsätze sind löblich, was machen ja aber irgendwie noch mehr. Also kaufe ich seit knapp einem Monat nur noch Bio: Kein Gen-Gemüse mehr, keine Antibiotika-Puten. Statt dessen kleine Runzel Möhrchen, Bio-Krumpel-Äpfel und sündhaft teure „Teigtäschchen“ statt der billig Maultschen für 75 Cent. Aber eigentlich ist das Thema „Bio“ ja schon durch. Halb Deutschland ernährt sich von Vollkorn, kauft Rapunzel Basis Müsli und sowieso: Das Gemüse wird langsam knapp. Die etwas dröge Naturkost-Diskussion hat aber zur Folge, dass jeder, wirklich jeder über Bio genauestens bescheid weiß. Beißt man in der Öffentlichkeit unbedachter Weise in einen der besagten Krumpel-Apfel, so scheint das für die umstehenden Personen wie eine Einladung zum Fachsimpeln zu sein. Da ergeben sich dann fesselnde Gespräche über Bio-Siegel, Naturkost-Marken und Bauernmärkte. Muss man Bio-Äpfel eigentlich vor dem essen waschen? Dazu kommt noch der Missionierungseifer. Es gibt das Ist-teurer-schmeckt-aber-viel-besser-wirklich-kein-Witz-Gourmet-Argument. Oder die Überzeugungstäter, die mit Horrorszenarien von Hühner-Gulags und Antibiotika-Schnitzeln auffahren. Früher fand ich solche Leute schlimm – heute bin ich selber so. Überlegenheit durch Bio Gemüse. Das lasse ich gerne auch andere Leute wissen. Ein Öko-Faschist. So wollte ich nie werden. Neulich zum Beispiel, da war ich im Biergarten, als mein Freund Michael Tomaten auspackte. Rot, fest, makellos – aber leider vollkommen geschmacklos. „Wassertomate“ murmelte ich besserwisserisch und schon entsponn sich ein Streit über Gewächshäuser, Genmanipulation und Pestizideinsatz. Vielleicht ist das der Anfangseifer, der Reiz des Neuen der bald vorübergeht. Vielleicht fehlt mir aber auch einfach das Glutamat aus den Billigmaultaschen. Die hab ich früher nämlich echt gern gegessen, und heute vermisse ich sie ein ganz klein wenig. Die vorgebliche „Gemüsefüllung" hat echtes Gemüse im besten Fall mal kurz von weitem gesehen. Und im Grunde genommen sollte man misstrauisch werden, wenn sich etwas knappe 3 Jahre lang hält, obwohl es aus „frischen Zutaten“ gemacht ist. Egal – geschmeckt hat es fantastisch. Ein Feuerwerk der Gaumenfreuden. Und heute in unerreichter Ferne. Aus moralischen Gründen. Grund genug also zur Verbitterung! Deshalb eine Bitte: Sollte ich das nächste Mal mit Bio nerven und gutmenschliche Überlegenheit ob meiner Bio-Bilanz demonstrieren - einfach ganz leise „Maultaschen“ und „Hmmmmm“ murmeln. Danke.

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