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Gurk macht mit. Heute: Gassigehen mit Tierwaisen

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Eigentlich mag ich Hunde. Und Hunde mögen mich. Tierheime mag dagegen niemand. Dort arbeiten fettige Typen die kleine Kätzchen treten und im allgemeinen überlastet und frustriert sind. Ich weiß das, ich habe hunderte, ach, tausende einschlägige Sensations-Reportagen gesehen. Einen Hund adoptieren geht aber trotzdem nicht. Wohnung zu klein, Geld zu knapp und viel zu oft im Urlaub. Mit Hunden aus dem Tierheim Gassi gehen geht dagegen super.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Tag 1 (9.30 Uhr, Wetter durchwachsen): Der erste Eindruck ist besser als erwartet, alles sauber und gepflegt. Nur das Krematorium „Tierfrieden“ im Nachbarhaus macht etwas stutzig. Nachdem ich ein Formular ausgefüllt habe, muss ich auf die Pflegerin warten. Die ist weder fies noch fettig und eigentlich sogar sehr nett. An den Wänden hängen Steckbriefe von Hunden. Auf dem vordersten ist ein Rottweiler, groß wie einem Kalb zu sehen, darunter steht „Brutus, der Kräftige“. Mir wird etwas mulmig. Zum Glück bringt mir die Pflegerin einen vier Jahre alten, schwarz braunen Mischling: Sonja. Mindestens eine Stunde soll ich mit ihr Gassigehen. Ich starte erste Annäherungsversuche. Ohne Erfolg: Sonja ignoriert mich geflissentlich. Würde ich an ihrer Stelle auch, könnte ja sonst jeder kommen. Brutus schleift mittlerweile eine ältere Dame hinter sich her, die mir im vorbeigehen „Ich nehm immer die großen Dicken“, zuruft. Ich biege in einen Waldweg ein, Sonja beginnt augenblicklich damit Gras zu essen und zu trödeln. Kein Problem, wir haben Zeit, aber dürfen Hunde eigentlich so viel Gras essen? Ich versuche Sonja abzulenken, spreche mit ihr, bin charmant. Keine Reaktion. Vermutlich wäre ich auch nicht so gut auf Menschen zu sprechen, wenn mich irgend ein Idiot in einem Tierheim abladen würde. Nach etwa 15 Minuten hört der Weg auf. Wir kehren um. Sonja zieht kräftig an der Leine Richtung nach Hause. Als wir am Tierheim vorbeikommen, kann ich sie nur mit Mühe dazu bringen, noch ein Stückchen weiterzulaufen. Ein Stunde später liefere ich Sonja wieder ab. Freudig springt sie an ihrer Pflegerin hoch (scheint wirklich nett zu sein) und verschwindet ohne sich umzudrehen in ihrem Zwinger. Ich fühle mich benutzt. Tag 2: (10.15, Wetter kalt, aber schön): Meine Hunde-Experten Freunde haben mir gesagt ich soll dranbleiben. Weitermachen also. Sonja zuckt mit keiner Wimper als sie mich sieht. Also versuche allerlei Tricks ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, raschel mit einer Plastiktüte in meiner Tasche und sage dumme Dinge wie "Ja, fein" und "Braaav". Keine Reaktion, Sonja isst statt dessen Gras. Mir doch egal. Tag 3: (9.30 Uhr, nass, kalt, grau, bäh): Als ich das Haus verlassen habe, sah es noch nicht nach Regen aus. Jetzt scheint es, als würde es nie mehr aufhören. Sonja ist das egal. Sie beachtet weder den Regen, noch mich. Dafür ist sie heute kein Gras. Zu nass? Auf dem Rückweg ziehe diesmal ich an der Leine. Sonja reibt sich zum Abschied an meinem Bein. Zuneigung? Oder einfach nur abtrocknen? Tag 4 (9:30 Uhr, grau und nass): Zuneigung war es wohl nicht. Sonja ignoriert mich. Vielleicht tut sie das, um sich interessanter zu machen? So wie manche Mädchen? Immer kalte Schulter zeigen? Kühl und unnahbar geben? Tag 5 (10:30, warm, schön, sonnig):

Text: christoph-gurk - Illustration: gabriel-holzner

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