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Gurk macht mit! Heute: Verdienen unfreundliche Menschen unsere Hilfe?

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Grundsätzlich helfe ich gerne erstmal jedem und allen und das auch noch ganz unvoreingenommen. In den letzten Wochen waren das allerlei Organisationen für die Umwelt, für Tiere und für Mitmenschen, alles sehr sinnvoll, aber auch recht wenig konkret, denn nur selten kommt man mit der Person oder dem Orang Utan, dem man gerade geholfen hat, auch tatsächlich in Kontakt. Nun war ich letzte Woche bei Frau S. Die ist ungefähr dreimal so alt wie ich, dafür aber immer noch recht rüstig. Nur mit dem Laufen hapert es ein wenig, weshalb mich die Nachbarschaftshilfe für sie zum Einkaufen geschickt hat. Normalerweise macht das der Bernd, ihr engagierter Schwiegersohn, der ist aber momentan im Urlaub. Frau S. lebt bescheiden und allein in einem muffigen 70er Jahre Bau, im Treppenhaus ist viel Beton und wenig Licht, sehr viel unpersönlicher kann man kaum wohnen. Von der Nachbarschaftshilfe hab ich eine Einkaufsliste bekommen: Ein bisschen Brot, ein wenig Butter, keine Extrawünsche. Viel Arbeit war der Einkauf nicht und eine halbe Stunde später stehe ich vor Frau S.` Tür.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Nun hätte ich keine Geschenke erwartet und keine Lobpreisungen, auch ein Dankeschön wäre nicht notwendig gewesen. Aber jetzt darf ich noch nicht einmal reinkommen und muss die Einkäufe durch den Türspalt schieben. Aber nicht genug: Frau S. lässt mich im Treppenhaus warten, bis sie die Rechnung kontrolliert hat, mokiert sich über meine „komische“ Hose und, ach ja, die Äpfel waren auch viel zu teuer. Nun weiß ich selbst: Nicht alle alten Menschen sind so, nur ein paar, die hatten Pech und sind verbittert. Ich könnte viel Zeit und viel Geduld investieren, mich bemühen und versuchen, den liebenswürdigen und schillernden Diamanten aus Frau S.` miesepetrig grauer Schale zu schälen. Aber ich könnte es auch sein lassen und etwas anderes mit meiner Freizeit anfangen. Auch unfreundliche Menschen haben natürlich Hilfe verdient, wer weiß, was ihnen in ihrem Leben schon so alles passiert ist. Und sicherlich ist es zehn Millionen mal ehrenvoller, einer gemeinen alten Hexe eine Tüte hoch zu tragen als dem pausbäckigen Großmütterchen mit dem frischgebackenen Apfelkuchen in der Küche. Aber ehrenvoll hin oder her: Mir ist die Lust vergangen und ich bin froh, dass sich ab nächster Woche wieder der Bernd mit dem Einkauf und seiner kratzbürstigen Schwiegermutter rumärgern darf. Armer Kerl. Den Urlaub hatte er sich verdient.

Text: christoph-gurk - Illustration: Katharina Bitzl

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