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Zu Besuch bei den Orang Utans vom WWF

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Eigentlich wollte ich ja nicht mehr zu Gruppentreffen von großen Organisationen gehen. Zu viel Diskussion, zu wenig Aktion, alles zu riesig und viel zu behäbig. Dann aber musste ich mich an drei Studenten in plüschigen „Orang Utan“-Kostümen erinnern, die vor etwa zwei Jahren überraschend zu Besuch kamen. Die tingelten für den WWF kreuz und quer durch Deutschland und meine Mitbewohnerin hatte sie kurzerhand zu uns nach Hause eingeladen. Tagsüber bauten die Orang Utans ein Protest-Nest gegen skrupellose Holzfirmen in der Münchner Innenstadt, nachts schnarchten sie friedlich auf der Couch in unserem Gang. Nach zwei Tagen waren Studenten und Kostüme wieder weg, neue Stadt, neues Nest. Der WWF und die Orang Utans waren mir seitdem aber irgendwie sympathisch.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dennoch brauchte ich gefühlte 150 Anläufe, bis ich mich endlich auf ein WWF-Gruppentreffen geschleppt hatte. Mal war ich krank, mal war Feiertag, einmal wusste ich keinen Treffpunkt und meistens habe ich es einfach verbummelt. Das Engagement von Schönwetter-Idealisten wie mir scheitert gerne mal an solchen Hürden, diesmal hab ich mich zusammengerissen, den Orang Utans zuliebe. Jetzt sitze ich in einem leicht chaotischen Raum vom Bund Naturschutz, über mir baumelt eine Edmund Stoiber Kasperlpuppe. Die Wände hängen voller Plakate und aus den Regale quellen Kartons und Infobroschüren aus Recycling Papier. Im Schülersprecherraum meiner Schule sah es fast genauso aus. Wir unterhalten uns kurz über Bahnstreiks und Bio-Märkte (oh nein!), dann kommt die obligatorische Vorstellungsrunde. Die geht recht zackig, schließlich sind wir nur zu sechst und mehr werden’s wohl auch nimmer werden, denn in ganz Bayern gibt es nur acht aktive WWF-Mitglieder. Viel ist das nun nicht gerade, immerhin ist der WWF eine internationale Organisation, mit Reservaten in der ganzen Welt, Spendeneinnahmen in Millionenhöhe und einem Rudel A- und B-Prominenz, die sich für ihn engagieren. Aber in Bayern ist man ja etwas gemütlicher. Orang Utans, die in der Innenstadt nisten, scheren hier niemanden und der Rest der Schönwetter-Idealisten hat nach dem fünften Anlauf einfach aufgegeben. Doch immerhin, es gibt noch ein wenig Hoffnung: Außer mir sind noch zwei andere Neue gekommen. Das Durchschnittsalter der Gruppe ist so um die 30, die meisten arbeiten und entgegen meiner Befürchtungen gibt es keine Öko-Fundis in flusigen Wollpullis. Es geht um Infostände planen und Plakate basteln, heute soll es aber ein bisschen schneller gehen: Deutschland spielt gleich gegen Tschechien und die Hälfte der Gruppe - sprich drei - möchte gerne Fußball gucken. Nach flotten eineinhalb Stunden bin ich wieder zuhause. Eigentlich wollte ich ja keine Flyer verteilen und auch keine Infostände machen, das wusste ich auch schon früher. Ich hätte wie gesagt gerne etwas mehr Action, mehr Protest, mehr Orang Utan Kostüme! Andererseits finde ich Naturschutz durchaus wichtig - und besagte Basisarbeit gehört da wohl dazu. Nach den letzten Gruppentreffen konnte ich mich immer fein rausreden, bei 20 Leuten fällt einer mehr oder weniger ja nicht so ins Gewicht. Jetzt wird das schon kniffliger: Sechs aktive Mitglieder sind nicht wirklich viel. Werden drei davon krank, fällt der nächste Infostand aus. Das heißt: Weniger Spenden, weniger Naturschutzgebiete - und weniger Orang Utans. Das wäre schade, denn von denen gibt es eh schon nicht mehr viele. Das nächste WWF-Treffen ist in drei Wochen, das ist kein Feiertag und den Treffpunkt weiß ich auch. Keine Ausreden mehr, den Orang Utans zuliebe. Hoffentlich werde ich nicht krank.

Text: christoph-gurk - Illustration: katharina-bitzl

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