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Auf Schiller machen

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Illustration: kathrin-hoermann Würde Schiller heute leben, wäre er ein Popstar. So wie Bandleader Songs darüber schreiben, dass die Menschen dem Konsum verfallen sind und es zu wenig Liebe in dieser Welt gibt, so schrieb Friedrich Schiller damals eben Theaterstücke, in denen er die Obrigkeit vorführte und seine Leidenschaft für Freiheit ausdrückte. Am 9. Mai ist Schiller seit genau 200 Jahren tot und trotzdem gibt er ein ganz gutes Vorbild ab. 1. Vergiss den Spruch deiner Großmutter „Nur in einem gesunden Körper steckt ein gesunder Geist“. Als Schiller obduziert wurde, erschraken die Ärzte, so verrottet waren schon sämtliche Organe. Obwohl Schiller Medizin studiert hat, war ihm seine Gesundheit herzlich egal, es sei „der Geist, der sich seinen Körper baut“. Rauche, Saufe, verweigere jeglichen Sport. Setz dich einfach hin, bleib sitzen und denk dir schlaue Dinge. 2. Egal, was du tust – sorge dafür, dass du in den Medien auftauchst. Zwar gab es zu Schillers Zeiten noch keine Massenmedien, aber der Dichter lebte seine Krisen und Verwandlungen vor den staunenden Augen der Öffentlichkeit aus, so wie heute Robbie Williams. Tu es ihm nach und sprich in jedes Mikrofon, das dir entgegengehalten wird, du seiest so ein wahnsinnig sensibler Mensch und jetzt eben in einer Depression. Öffentliche Schwäche kann dich zum Megastar machen. 3. Im 21. Jahrhundert profilieren sich junge Leute mit einem ambitionierten Antiamerikanismus. Amerika hassen kann ja jeder, schöner ist es doch, wenn man dann den Satz „Ich mag die Weltmacht Amerika nicht, ...“ mit den Worten beendet: „...meine Weltmacht ist die Liebe.“ So sagte nämlich Schiller. Und das ist doch mal eine These, die unbedingt ein Revival erleben sollte. 4. Sei rebellisch. Und such dir einen geeigneten Feind. Die Schule, auf die Schiller ging, war einem Fürsten unterstellt, den der Dichter leidenschaftlich hasste. Sein Stück „Die Räuber“ schrieb Schiller als Anklage gegen diesen Fürsten. Heutzutage würde sich zum Beispiel die Globalisierung als Feindbild anbieten. Tritt als Ausdruck deiner Unzufriedenheit in die Attac-Ortsgruppe ein. Und leg dir eine Sammlung der wichtigsten zeitgenössischen Werke der Gesellschaftskritik zu: Naomi Klein, Viviane Forrester, Noam Chomsky, aber auch Klassiker wie Karl Marx. 5. Du musst das alles wirklich wollen, denn der Wille ist alles, sagte Schiller. Oder genau: Der Mensch besitzt die Instanz des Willen, „der als ein übersinnliches Vermögen weder dem Gesetz der Natur, noch dem der Vernunft so unterworfen ist, dass ihm nicht vollkommen freie Wahl bliebe, sich entweder nach diesem oder nach jenem zu richten.“ Heute würde man sagen: Mach doch, was du willst.

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