Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Ich grab mir einen Baggersee

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Bild: heike-winter Es wird Sommer. Es ist heiß. Dein Gehirn, seit Tagen auf Fortkochstufe gestellt, bring trotz gelegentlicher Abkühlung durch Flutschfinger und Dolomiti nur einen Gedanken zu Stande: „Wasser!“ Doch das örtliche Freibad ist fest in der Hand von Halbstarken, das Wasser im Becken verdächtig gelb. Leider gibt es in der Nähe keinen ordentlichen Baggersee. Und der alte Waldweiher ist so voll Glasscherben, kaputten Fahrrädern, alten Waschmaschinen und Algen, dass die Fische Rückenschwimmen. Es bleibt nur ein Ausweg: Ein neuer Baggersee muss her! Hier erfährst du, wie du vorgehen musst. 1. Das geeignete Grundstück finden Wo sollte ein Baggersee idealer Weise liegen? Am Waldrand, und nicht zu nah an der nächsten Siedlung. Denn zum echten Baggersee-Erlebnis gehört es, nach 15-minütiger Fahrradfahrt durch Wald und Wiesen erhitzt in das Wasser zu springen. Außerdem willst du an dem See ja nicht nur Baden, sondern nachts bei Lagerfeuer und Rotwein zur Gitarre grölen. Und je weiter der See vom nächsten Haus entfernt ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass man euch dort nicht hört. Oder dem Polizeiauto auf dem Feldweg die Achse bricht, wenn der Wind schlecht steht und die Anwohner sich doch beschweren. 2. Höflich Fragen Hast du das ideale Grundstück gefunden, kann es eigentlich losgehen. Doch bevor du zum Spaten greifst, solltest du vielleicht noch den Besitzer fragen, ob er was gegen deine Pläne hat. Doch das dürfte kein Problem sein, denn: Wer ordentlich aussieht und höflich fragt, bekommt meistens, was er will. Falls sich der Eigentümer von adretter Kleidung und höflichem Auftreten nicht beeindrucken lässt, und sein Gründstück auch in Zukunft lieber brachliegen lassen will, ziehe deinen Geheimjoker: Der nette Vegetarier aus deiner Straße schreibt dir sicher ein Konzept, wie aus einem bisher wertlosen öffentlichen Waldgrundstück ein ökologisch hochwertiges Feuchtbiotop wird. Dass das nur ein anderes Wort für Baggersee ist, brauchst du den Damen und Herren vom Gemeinderat ja nicht sagen, wenn sie über die Umwidmung eines Gemeinde-Gründstückes in „Lebensraum für heimisches Kleingetier“ abstimmen. 3. Bauplanung So, jetzt kann es ja losgehen. Aus der Wiese, die da vor dir liegt, muss ein Loch werden. Nicht zu groß, denn es sollte um den See herum ja noch genügend Platz für Liegefläche, Fahrräder und Lagerfeuer bleiben. Aber auch nicht zu klein und flach, einen Gartenteich haben schließlich schon die Nachbarn. Am besten rammst du dir rund um den See in spe Holzpflöcke ins Gras, so siehst du auch im größten Bagger-Rausch, wo Schluss ist. Vielleicht planst du eine kleine Insel in der Mitte ein, auf der ein Baum steht. So kannst du an heißen Sommertagen im Schatten liegen, und hast den Überblick, welche hübschen Jungs/Mädels gerade ihr Handtuch ausbreiten. 4. Einlochen Willst du dir beim Ausheben des Baggersees gleich die richtige Bikini- bzw. Badehosen-Figur zulegen, nimm Hacke und Spaten. Doch du wirst bald merken, warum es „Baggersee“ und nicht „Schaufelsee“ heißt. Also kaufe zwei, drei Kästen Bier und frage den Baggerfahrer an der nächsten Großbaustelle, ob er dir nicht helfen kann. Will er nicht, kaufe noch einen Kasten Bier. Dann macht er dir nach Feierabend in zwei Stunden „die Wiese weg“. Sollte sich dein ökologisches Gewissen melden, ignoriere es. Die Regenwürmer und Maulwürfe müssen sich jetzt eine neue Bleibe suchen, dafür schaffst du neuen Wohnraum für Karpfen, Kröte und Co. Wovon ja sogar der Gemeinderat überzeugt ist. 5. Die Nachbereitung Nun, ein Loch ist noch kein See. Jetzt brauchst du etwas, damit das Wasser nicht gleich wieder rausläuft. Da eine Plastikplane zu teuer ist, nimmst du Lehm. Der war entweder in der Erde, die ihr rausgebaggert habt, oder du lässt dir von Manni, dem Baggerfahrer, Kontakt zum Materialwart der Baustelle vermitteln. Durch den Einsatz von zwei weiteren Kästen Bier bekommst du deinen Lehm, für einen dritten Kasten sogar die netten osteuropäischen Schwarzarbeiter zum Verteilen und Festtrampeln ausgeliehen. Jetzt gibt es aber noch ein kleines Problem: Was passiert mit dem Zeug, das früher da war, wo jetzt das Loch ist? Entweder schippst du es an den Grundstücksrand, dann bietet ein kleiner Wall Sichtschutz für Nacktbader. Oder du verteilst es. Säckchen für Säckchen, eines in den Sandkasten vom Kindergarten, eines in Nachbars Gartenteich, eines in Papas Kleiderschrank. 6. Wasser marsch! Jetzt fehlt nur noch das Wasser. Wie man Leistungen kostenlos bekommt, hast du ja schon gelernt. Dass Manni, der nicht nur Baggerfahrer, sondern auch zufälligerweise Feuerwehrkommandant ist, die nächste Übung seiner Truppe im Naturschutzgebiet am Waldrand veranstaltet, wird seine Feuerwehrmänner zunächst wundern. Wenn sie dich aber neben dem 150-Liter-Fass und hinter dem Grillrost mit 150 Würsten, Koteletts und einem Maiskolben für den Vegetarier aus der Straße sehen, wird ihnen alles klar. Klar wird dein Badewasser, wenn sich nach vier Tagen Staub und Dreck gesetzt haben. Aber so lange musst du nicht warten. Während die lokale Reggae-Band zu spielen beginnt, holst du dir den Lohn für deine Mühen: Die Ehre der ersten Arschbombe in deinen neuen Baggersee.

  • teilen
  • schließen