Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Arabischer Hochsommer

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Brennende Reifen, tausende Schilder, zehntausende Menschen, die zum Teil am Boden liegen und dennoch weiter protestieren - und eine Polizei, die brutal dazwischengeht. Im Sudan hat eine Revolution begonnen und kaum jemand scheint das mitzubekommen - zumindest, wenn man in den klassischen, großen Medien sucht. Auf Twitter, Facebook und YouTube ist das schon anders. Mehr noch: Dort sieht man, dass nicht nur im Sudan, sondern inzwischen auf der ganzen Welt Menschen auf die Straße gehen und auf die Ungerechtigkeit und Proteste im Sudan aufmerksam machen.  

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Gihan Eltahir (nicht im Bild) sammelt auf ihrem Facebook-Profil Fotos von Menschen aus der ganzen Welt, die die Revolution im Sudan unterstützen. 

Dass bisher so wenig aus dem Land, in dem schon seit Jahrzehnten Bürgerkrieg herrscht, durchgedrungen ist, liegt vor allem daran, dass das Regime unter Omar al-Bashir und die Polizei die Proteste immer erfolgreich unterdrückt haben. Seit Mitte Mai aber häufen sich die Demonstrationen. Vor allem in der Hauptstadt Khartum, aber auch in vielen Provinzstädten, wurde zunächst gegen Preiserhöhungen und Sparmaßnahmen der Regierung protestiert. Auslöser war der Benzinpreis, der sich innerhalb einer Woche verdoppelt hat, wodurch alle Produkte erheblich teurer wurden. Die Inflation ist allerdings schon länger zu spüren und eine Auswirkung der Abspaltung des Südsudans im Juli 2011 und der Einstellung der Ölproduktion im Januar 2012, durch die der Norden des Landes entscheidende Energie- und Einnahmequellen verloren hat.  

Eskaliert ist die Situation am 16. Juni, als Studentinnen in Khartum in der Uni-Kantine plötzlich den doppelten Preis für ihr Essen zahlen sollten. Daraufhin haben sie sich mit Kommilitonen zusammengeschlossen und einen Protestmarsch gestartet. Die Polizei hat den Campus besetzt und die Demonstration mit Gummigeschossen, Tränengas sowie der Geheimpolizei NISS zerschlagen. Hunderte Demonstranten wurden verletzt, mehr als tausend Oppositionelle festgenommen. Inzwischen wird im ganzen Land demonstriert, nicht mehr nur wegen der Steuer- und Preiserhöhungen, sondern vor allem mit einer Forderung: dem Rücktritt des Diktators Omar al-Bashir.  

Bis auf wenige Ausnahmen wie das Hamburger Abendblatt und die Neue Zürcher Zeitung informieren über die Geschehnisse im Sudan aber nicht die traditionellen Medien, sondern vor allem Beiträge auf Twitter. Unter dem Hashtag #sudanrevolts schreiben die unterschiedlichsten Twitter-User auf Deutsch, Englisch und Arabisch, darunter Journalisten und Aktivisten aus dem Sudan und aus der ganzen Welt. Sie machen sich gegenseitig Hoffnung und ermutigen sich weiterzumachen, „auf dass die Menschen im #Sudan den Serienmassenmörder Bashir bald los werden.“ Die Tweets handeln auch von einzelnen Demonstranten wie Mai Shutaa, die verhaftet wurde und der NISS-Agenten bei einer Demonstration den Arm gebrochen haben. Daneben gibt es Posts über Verbündete wie die weltweiten Demonstranten oder auch das Web-Kollektiv Anonymous, das die Webseite der sudanesischen Regierung lahmgelegt hat: „#Anonymous has taken down the Sudan gov website last night. SWEET.“

Auch Philip Rizk twittert unter dem Hashtag #sudanrevolts. Der Blogger und Filmemacher arbeitet in Kairo und berichtet vor allem über die Konflikte vor Ort. Dort traf er sudanesische Aktivisten, die in Kairo im Exil oder zum Studium leben, und erfuhr so von der Revolution, die im Sudan beginnt. Seitdem twittert er darüber und beteiligt sich an Filmen über die Proteste. „Ich erfahre leider nur über Twitter, wie die Polizei Studenten und andere Demonstranten schlägt, sie festnimmt und foltert oder vergewaltigt. Die Internetverbindung ist teilweise unterbrochen - wie im Januar in Ägypten. Die Herrscher im Sudan haben Angst“, sagt Philip.  

Immer mehr Menschen tun sich zusammen, um auf die Proteste aufmerksam zu machen, zum Beispiel „Sudan Change Now“, eine sudanesische Bewegung junger Aktivisten, die sich seit 2010 für einen Sturz der Diktatur und eine Demokratie einsetzt. Gihan Eltahir sammelt auf ihrem Facebook-Profil unter dem Titel „Sudanrevolts around the world“ Fotos von Demonstrationen, unter anderem in Brüssel, Paris und London, sowie Bilder von Menschen aus der ganzen Welt, die mit einem Schild mit dem Hashtag #sudanrevolts die Revolution unterstützen.  

Noch sind Facebook, Twitter und YouTube ein Weg, die Presse, die in Ländern wie dem Sudan zensiert ist, zu umgehen. Aber auch diese Seiten werden beobachtet, wie das Beispiel der ägyptischen Journalistin Salma Elwardany zeigt: Sie war zur Berichterstattung im Sudan und ist laut eines Tweets aus dem Sudan abgeschoben worden, weil sie nicht aufhören wollte, auf Twitter über die Proteste zu berichten.

Text: kathrin-hollmer - Screenshot: facebook.com/Greenrosseta

  • teilen
  • schließen