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Der Knopf stirbt aus!

Illustration: Katharina Bitzl

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Im vergangenen Sommer haben sie wieder wild diskutiert, in den Technik-Magazinen und den Technik-Foren. Jetzt sei es bald so weit. Und ob das nun gut oder schlecht sei. Aber eher gut. Das Gerät könne dann noch flacher werden und der Screen noch größer und alles noch schlichter. Yeah.

Es ging um den Home-Button des iPhones. Schon 2011 gab es das Gerücht, beim nächsten iPhone werde er abgeschafft. Wurde er aber nicht. Vielleicht dann ja beim kommenden, dem Siebener. Dann wäre das letzte mechanische Element verschwunden, das dieses Telefon auf seiner Front noch hatte, dann gäbe es dort nur noch den Touchscreen. Schluss, Aus, Ende für den Knopf.

Dabei machen wir das doch so gern: Knöpfe drücken. Wir lieben die schnelle, reibungslose Abfolge von minimaler Aktion und großer Reaktion, die uns der Knopfdruck bietet – nicht umsonst bedeutet die Redewendung „auf Knopfdruck“ ja „automatisch“ oder „sofort“. Unser Alltag ist voll von Knopfdrücken. Aktion drücken: Reaktion Fernseher an. Aktion drücken: Radio an, Waschmaschine an, Computer an. Oder alles aus. Temperatur rauf oder Temperatur runter. Aufnahme starten oder Aufnahme stoppen.

Seit es elektronische Geräte gibt, also etwa seit Ende des 19. Jahrhunderts, gibt es auch Knöpfe – wobei „Knopf“ der umgangssprachliche Begriff ist, in der Fachsprache spricht man vom „Schalter“. Damals löste der Schalter die mechanischen Hebel ab, zum Beispiel bei der Eisenbahn: Statt mit extremem menschlichem Kraftaufwand eine Weiche per Hebel umzustellen, gab es dann einen Knopf, der einen Elektromotor in Gang setzte, der wiederum die Weiche bewegte. Das war so revolutionär, dass der Knopf heute noch mehr ist als bloß irgendeine Komponente eines Geräts: Er steht für die Technisierung. „Der Knopf ist das Symbol des elektronischen Zeitalters“, sagt Dr. Johannes Weyer, Techniksoziologe an der TU Dortmund.

Trotzdem ist ein Knopfdruck immer noch ein mechanischer Vorgang, quasi ein Detail des mechanischen Zeitalters, das ins elektronische Zeitalter hinübergerettet wurde. Jetzt wird aber dieses elektronische Zeitalter gerade vom digitalen Zeitalter abgelöst. Und das bedeutet: Dem Knopf geht es jetzt wie dem Hebel. Er wird ersetzt. Und zwar durch den Touchscreen.

„Du musst wiiischen!“

An den Touchscreen und die Bewegung, die er von uns fordert, das Wischen, mussten wir uns erstmal gewöhnen. Jeder hat schon mal einen verzweifelten Smartphone-Erstbenutzer gesehen (oder war selbst einer), der bei einem Anruf wie wild auf den grünen Hörer drückte, der auf seinem Display wackelte, und dabei aussah wie eine Katze, die mit der Pfote nach einem baumelnden Faden hangelt. Bis irgendjemand sich erbarmte und rief: „Du musst wiiischen!“

Da kann man drüber lachen, muss dabei aber bedenken: Das Wischen ist immer noch eine sehr neue Bedienform. Es gibt sie in unserem Alltag erst seit 2007, also seit noch nicht einmal zehn Jahren. Damals kam das erste iPhone auf den Markt. Die Präsentation, die Steve Jobs dafür hielt, ist weltberühmt, und man kann sie sich immer noch auf Youtube anschauen. Jobs redet darin erstmal die schon existierenden Smartphones (wie zum Beispiel das Blackberry) schlecht: „They all have this plastic little keyboards on them“ und „these control buttons fixed in plastic“. Und bevor er dann endlich ein Bild des iPhones und seines großen Screens zeigt, ganz ohne  Plastik-Tastatur, predigt er noch: „What we gonna do, is get rid of all these buttons!“ Nur ein einziger durfte bleiben: der Home-Button. „Das war ein radikaler Schritt“, sagt Johannes Weyer, „man hat damals viel Geld dafür ausgegeben, etwas nicht mehr zu haben – nämlich die gewohnte Tatstatur.“ Danach hat sich das Konzept „wischen statt drücken“ konsequent durchgesetzt: Heute sehen alle Smartphones gleich aus. Viel Screen, wenig Knopf.

Es gab mal Autoradios, die auf den Knopf verzichtet haben. Aber das funktionierte nicht.

 

Wobei das gerade eine Lüge war. „Wischen statt drücken“, das stimmt ja so nicht. Auch auf dem Touchpad haben wir Knöpfe oder zumindest: die Simulation von Knöpfen. Jede App ist eine Art Knopf, den wir mit dem Finger betätigen können, um ein Anwendungs-eigenes User Interface zu öffnen. Johannes Weyer sagt, der Knopf werde digital reproduziert, weil er „einfach unschlagbar praktisch“ sei. Weil er Funktionen so schön bündele. Sie auf einen Punkt konzentriere. Man mit einem Finger etwas öffnen oder schließen, an- oder ausmachen könne. Aktion – Reaktion.

 

Was dabei wegfällt ist das, was immer wegfällt, wenn etwas digitalisiert wird: das Haptische. Und in diesem Falle ist das ab und zu wirklich ein Problem. Bei Zeitungen und Büchern ist die Haptik ja bloß ein Liebhaber-Ding („Ich will ein Buch fühlen!“), weil sie für das, was man damit eigentlich machen soll (lesen, nicht fühlen) völlig egal ist. Beim Knopf ist das ein bisschen anders: Geräte mit Knöpfen kann man blind bedienen. Bestes Beispiel: das Autoradio. Man kann hinlangen, es einschalten und einen Sender suchen, während man gleichzeitig auf die Straße achtet. „Es gab mal Autoradios, die auf den Knopf verzichtet haben“, weiß Johannes Weyer, „aber das funktionierte nicht, weil man dadurch hinschauen musste. Darum ist man wieder zurückgekehrt zu Knöpfen oder Drehreglern, weil die Bedienungunschlagbar einfach ist.“ Da ist es wieder, das Wort: unschlagbar, der Knopf. Zumindest, bis die Sprachsteuerung noch nicht ausgereift ist. Denn dann könnten wir im Auto einfach „Radio an“ und „BR 5“ sagen und so quasi mit unserer Stimme einen Knopf drücken.

 

Trotzdem: „Ohne den Knopf wird man auch bei modernen Geräten nicht auskommen“, glaubt Johannes Weyer. Und wir haben ja immer noch genug alte, analoge Geräte, an denen wir Schalter drücken. Gerade eben an der Waschmaschine. Gleich am Wasserkocher. Und wer zur Hölle kommt eigentlich mit diesen schrecklichen Induktionskochfeldern zurecht, an denen man auf einem Touchpad herumfingert und immer alles falsch einstellt, anstatt an einem schönen, großen Knopf auf Stufe 5 zu drehen?

 

Der Knopf wird uns nicht verlassen. Nicht überall. Auch der Home Button, der letzte Knopf auf einem Gerät, das fast nur noch aus Screen besteht, ist bisher noch geblieben, zumindest bei der Mutter der Smartphones, dem iPhone. Im Sommer wurde grafisch simuliert, wie ein iPhone 7 ohne Home Button aussehen würde. Und dazu fiel einem nur ein Wort ein: nackt.

 

Und außerdem ist es doch der Home Button, der einen immer wieder rettet. Wenn man abends auf dem Sofa irgendwo hingeraten ist, wo man nicht sein wollte, zu weit gegangen ist, im Internet, in der App, im Mailpostfach – dann muss man nicht den ganzen Weg zurückgehen, sondern kann per Knopfdruck an den Ausgangspunkt zurückkehren. Wenn man sich in der Bahn mitten in einer schriftlichen Konversation oder einer nicht ganz jugendfreien Bildergalerie befindet, und plötzlich  vom Vorgesetzten angesprochen wird – dann kann der Knopfdruck alles verschwinden lassen oder ungeschehen machen. Wenn man irgendwas einfach nicht mehr sehen will – Aktion Homebutton drücken, Reaktion alles weg. Oder wie Steve Jobs es ausdrückte: „It takes you home from wherever you are.“

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