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"Das geht ganz schön auf die Gelenke!"

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Mit den Gelenken ist es eigentlich wie mit dem Finanzamt und der Lichtmaschine im Auto – so lange man nichts von ihnen merkt, ist alles gut. Allerdings, das ist der Unterschied zu den beiden anderen, gibt es für Gelenke Apostel und zwar wie es sich für Apostel gehört: selbsternannte. Meistens sind das Mitmenschen, die schon als Kind die kargen Freuden der Krankengymnastik erleben durften. Diese Freunde der Gelenke also sehen mich an der Bushaltestelle stehen und sagen: „Obacht! Das ist nicht gut für die Gelenke, wie du da stehst.“ Dabei pflege ich an Bushaltestellen äußerst herkömmlich zu stehen. Im Supermarkt, wenn ich den Einkaufskorb lustig hin und herschwenke, bleibt ihnen der Mund offen stehen: „Das würd’ ich nicht machen, belastet voll die Gelenke.“ Umgehend schmerzen sie mich auch, die sämtlichen Gelenke, selbst die ganz kleinen im Souterrain. Eigentlich, denke ich dann, ist man ja doch wohl ein einziger großer Haufen Gelenk. Füße, Knie, Hüften, Hals – es gibt kein einziges Körperteil, das man mal unvernünftig schwenken oder in die Geranien kippen könnte, ohne dass gleich die Gelenke draufgehen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Neulich habe ich aus schlechtem Gewissen meinem verlebten Lebekörper gegenüber mal ein paar Liegestützen gemacht. Und gleich in der Mittagspause stolz davon erzählt, von jeder der vier. Schon hagelte es Zeigefinger. Ob ich hoffentlich Liegestützen-Griffe benutzt hätte, weil wenn nicht, könnte ich meine Handgelenke jetzt schon aus der Inventarliste streichen. „Das geht nämlich voll auf die!“ sagen die Gelenk-Apostel und benutzen damit das Fachwort für Knorpel und deren Verschleiß. Alles „geht“ auf die Gelenke, Gehen geht auf die Gelenke, Sitzen und Schlafen sowieso. Schaut man sich eine Zirkusvorstellung im Fernsehen an, fällt mindestens siebenmal der Hauptsatz. Dabei würde er strenggenommen nur stimmen, wenn während der Vorstellung ein Elefant einem Artisten auf den Gelenken herumgeht. So unfallmäßig. Dann sind die Artistengelenke auch richtig hin, vermute ich, ohne mich damit auszukennen. Na, jedenfalls habe ich die morgendlichen Liegestützen gleich wieder sein gelassen, mit dem Verweis auf die zu schonenden Gelenke. Da haben die sich aber gefreut. Der restliche Body fand es schade und hat eine Protestnote formuliert. Liegestützen-Griffe zu erwerben um die Gelenke zu schonen, kam natürlich nicht in Frage. Das Prinzip Liegestütze fand ich ja gerade deswegen gut, weil es so ein bisschen die Hantelbank des kleinen Mannes ist: Man hebt sich selber, stemmt das eigene Gewicht und empfindet so nach, was die arme Erdkruste Tag für Tag an einem schleppt. Aber mit speziellen Griffen – nein! Fitnessaccessoires kaufe ich mir allerfrühestens wenn ich Sechzig bin. Dann sind meine überlasteten Gelenke alle schon Ersatzteile aus einem Material, das normalerweise in der Raumfahrt eingesetzt wird. Ich kann sie beliebig auswechseln und allein in die Hantelbank einspannen, während ich ungelenk abhänge.

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