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"Das hab' ich akustisch nicht verstanden"

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Geht es nur mir so, dass dieser Satz ein ungutes Kettenkarussell im Bauch anwirft? Muss außer mir dabei noch jemand auf seinen Handrücken schielen, in der Hoffnung, die Binomischen Formeln stünden drauf? Nicht? Nun, das letzte Mal, dass ich diesen Satz benützt habe, dürfte in der elften Klasse gewesen sein. Ich an der Tafel, die Klasse und Herr Kärcher hinter mir, der nicht nur wie ein Hochdruckwasserstrahl hieß, sondern auch so ausfragen konnte. Da hatte ich also einiges akustisch nicht verstanden, und diesen kuriosen Umstand immer wieder beteuert. Der Satz war strenggenommen das Einzige, was überhaupt noch geradeaus meinen Mund verlassen konnte. Wie ein Ertrinkender noch mal an die von der Sonne getrocknete Bank vorm Haus denkt, bevor die Wellen über ihm zusammenschlagen, dachte ich immer nur noch diese Worte. Damit sind wir in der kaputten Sinnlosigkeit dieses Hauptsatzes. Herr Kärcher hat damals extrem akustisch und immer schärfer seine Fragen wiederholt. Der Satz hat sie nicht gelindert. Trotzdem wird er weltweit von Menschen in Krisensituationen vorgebracht, als Syntax gewordene Mattscheibe. Das Wichtigste daran ist das Wort "akustisch". Während die Zunge sonst einen großen Bogen darum macht - im Soft-Talk sagt keiner "Hä, was hast du akustisch gesagt?" - wirkt es hier wie der letzte magere Beweis, dass man bitteschön noch nicht komplett verblödet ist. Denn immerhin ist das ja so eine Art Fremdwort. So richtig würde der Satz aber nur in die letzten Sitzreihen von miesen Konzertsälen passen und nicht in die Frage-Antwort-Situationen, die sein vorwiegender Aufenthaltsraum sind. Dort soll er klarstellen, warum man eine Ladehemmung hat - nur klingt aus ihm immer eine leicht beengte Position. Gleichzeitig bestätigt man damit auch, dass man im Vorfeld schon einiges nicht verstanden hat, und zwar aus anderen Gründen als den akustischen. Wir halten also fest, in den meisten Fällen geht es hier nicht eigentlich um ein akustisches Problem, sondern um ein kognitives, sprich die Birne ist leer. Lehrer und Menschen, die Bewerbungstests durchführen, dürften bestätigen, dass dieser Satz in den meisten Fällen der Anfang vom Ende ist, also das Totenglöckchen bimmeln lässt. Man sollte diese gemeinen Prüfungsmenschen überraschen, indem man das nächste Mal einfach im gleichen Tonfall sagt: "Sorry, das habe ich jetzt intellektuell nicht verstanden."

Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl

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