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"Das habe ich als Kind gar nicht gemocht!"

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Das Gute an der Kindheit ist, dass jeder eine hatte. Deswegen wird auch unentwegt darauf zurückgegriffen, sobald es aus der Gegenwart nichts mehr zu erzählen gibt. Bei abendlichen Festveranstaltungen im studentischen Milieu kommt es gleich zu tumultartigen Szene, wenn einer anfängt, seine Lieblingsfernsehsendungen aus Kindertagen aufzuzählen. Handelt es sich um eine Festveranstaltungen mit Essen, fällt unbedingt der Hauptsatz und zwar immer an dem Zeitpunkt, an dem die Zutaten des Essens aufgezählt werden, um spätere Allergieattacken auszuschließen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Beliebte Dinge die ehemalige Kinder nicht mochten: Spargel, Rosenkohl, Garnelen, Erbsen, Käse, der nach Käse riecht, sowie Bier. Das Aufzählen dieser immer gleichen Sachverhalte ist aber eigentlich sehr unerquicklich. Was soll man schließlich mit der Information anfangen, dass diverse Erbsen vor 20 Jahren in Kehlheim nicht gegessen wurden, von einem kleinen Menschen, den man damals noch gar nicht kannte und der über diese Störung auch längst aus eigener Kraft hinweg gekommen ist? Man kann eigentlich nichts dazu tun, als nachdenklich zu nicken und seine eigene Version zu erzählen, als Beweis dafür, dass man ebenfalls ein total typisches Kind war. Jedenfalls ist die Entgegnung „Echt, du hast Erbsen nicht gemocht? Ich hingegen habe Erbsen geliebt!“ auch nicht besonders erhellend. Ich drehe das Palaver deswegen heute gerne um und erzähle von den Dingen, die ich als Kind gerne mochte, die mir mittlerweile aber verdächtig sind. Gelbwurst zum Beispiel, die ich als Kind in großen Mengen orderte, weil ich dachte, es hieße Geldwurst. Völlig ohne Scheu habe ich als Sechsjähriger auch Zungen verschlungen. Riesige Rinderzungen waren das, die gepökelt in der Mitte des Tisches lagen und dabei deutlich als riesige Rinderzungen erkennbar waren. Es gibt sogar ein Foto mit mir und einer externen Zunge! Heute wäre ich da beim Tranchieren mindestens etwas beklommen, wenn nicht ganz und gar gehemmt. Ich sehe auch kaum mehr Pökelzungen im Straßenbild, außerdem kenne ich keinen, den ich zum Zungenessen einladen könnte. Ich kenne allerdings auch keine heutigen Kinder, die ja vielleicht immer noch mit Wonne in eine Zunge beißen. Aber das ist eigentlich kein Argument, denn wenn man Kinder kennenlernen will, kann man sich ja einfach welche machen und dann zum Essen einladen.

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