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„Der hat mehr Angst vor dir, als du vor ihm“

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Diese Satz soll uns die Annäherung an Tiere erleichtern. Er gehört zur großen Gruppe jener Elternsätze, deren Wahrheitsgehalt sich nicht endgültig überprüfen lässt. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn zu glauben. Ähnlich unprüfbare Elternaussagen sind zum Beispiel: „Es gibt keine Gespenster.“ oder  „Irgendwann bleibt dir die Grimasse“ und natürlich „Es geht nicht allen Kindern so gut wie dir.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


 Was nun die Angst vor fremden Tieren angeht, ist sie mit dem obigen Hauptsatz eigentlich niemals wirksam zu überwinden gewesen. Mir ist jedenfalls kein geglücktes Beispiel bekannt. Schließlich: Wenn der Feuersalamander oder der blöde Nachbarshund angeblich so viel Angst haben, warum laufen sie dann nicht weg? Sie könnten schließlich, neben ihnen steht ja kein nerviger Feuersalamander-Vater, der ihnen zuflüstert: „Das Menschlein hat mehr Angst vor dir als du vor ihm.“

Nein, sie könnten abhauen oder sich zumindest unterwürfig zeigen. Stattdessen aber sitzen sie einfach da und starren uns direkt in die Augen. Viel Angst sieht anders aus. Man kann es ihnen ja auch nicht verdenken, schließlich ist man so, halb hinter den starken Papa-Beinen verdrückt, kein besonders furchteinflössender Gegner. Selbst wenn es also stimmen mag, dass Feuersalamander im Allgemeinen Angst vor normalen Menschen haben, ist es nicht sicher, ob sie auch noch Angst vor halben Kinderportionen haben. Solche klugen Einwände lassen Väter aber nie gelten, überhaupt wollen sie nie erstmal in Ruhe die Sache diskutieren, vielleicht von einer sicheren Warte aus. Da muss man schon heulen, damit sie einen aus der Gefahrenzone bringen.

Stattdessen argumentieren sie mit Logik: „Du bist doch viel größer, was meinst du, wie der sich gerade vor dir fürchtet.“ Das stimmt zwar irgendwie, aber haben wir Menschen scharfe Zähne, Giftstachel, eklige Ätze oder sonstige Waffen, mit denen kleine Tiere ihren Respekt einfordern? Nö, wir haben nur Birkenstock-Sandalen zum Zertrampeln. Man forscht also noch mal in den Tieraugen nach Zeichen von Furcht, aber das ist keine, da ist immer noch nur keckes Tiersein plus vielleicht sogar noch lustiges Kläffen, was ja so ziemlich das Gegenteil einer Unterwerfungsgeste ist. Es tut sich also nichts, weder werden wir mutiger, noch die Tiere ängstlicher, noch die Väter irgendwie stolzer. Also hilft nur Heulen, sonst kommt man ja den ganzen Tag zu gar nix.

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