Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

"Der soll ja auch ziemlich gut sein"

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Ausgehen sieht bei mir in den meisten Fällen vor, dass ich mich mit einem anderen Menschen treffe, während draußen schon Nacht ist. Dann gehen wir zu einem Ort, auf den wir uns nach Austausch von absurden Kriterien („Aber da gibt’s nur Tannenzäpfle“) geeinigt haben, sitzen auf Korkhockern und: reden. Jeder erzählt dem andern seinen aktuellen Sums und gelegentlich hakt man mal was nach. Kommen andere Menschen vorbei, wird begrüßt und wieder geredet, man schwätzt den ganzen Abend an alle hin und dann geht man ins Bett.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das ist Ausgehen, wie ich es praktiziere und es ist ehrlich gesagt harmlos. Aber die anderen in den Clubs machen es doch genauso! Eintritt zahlen, Trinken holen, reden. Ab und zu tanzt mal einer. Wenn welche küssen, dann gehen sie gleich heim. Das alles finde ich auch gar nicht schlimm, ich verstehe nur nicht, warum immer so ein Gewese ums Ausgehen gemacht wird, wenn es doch nichts anderes ist, als Rumstehen und Reden während unsere Eltern schlafen. Wozu werden ständig neue Bars und Clubs eingeweiht? Es würde doch auch reichen, in jeder Stadt eine brusthohe Betonmauer als Ausgehort zu deklarieren, an der ich auf der einen und mein Kumpel auf der anderen Seite stehen können und dann: Reden, Reden, Reden bis uns schlecht wird. Dazu noch ein Getränkeautomat, fertig. Das Redemenü eines durchschnittlichen Abends sieht meistens so aus: 1. Begrüßung plus „Und wie isses?“ 2. gegenseitiges Erzählen, wie es gerade is’ – also Tagesaktuelles und Bemerkenswertes der letzten Wochen. 3. kurzer gemeinsamer Ausblick in die Zukunft, also Studium-Ende, Pockenimpfung oder Urlaub. 4. dezentes Nachbohren bei bekannt schwierigen Themen wie Eltern, Heuschnupfen und Ex-Freundin. Dann kommt das weite Feld des angenehmen Plauderns mit freier Themenwahl. Da meine Freunde und ich nur minderpolitisiert sind, geht es sofort um Bücher, Filme, Musik und das liebe Glotzofon. Hier tanzt jetzt der Hauptsatz seinen ergiebigen Tanz. „Kennste die Platte? Soll auch ziemlich gut sein“ ist ein ins Endlose ausdehnbares Werfen und Fangen von Nichtinformation, quasi die ewigen Notfalltropfen der Unterhaltung. Es reicht, dass man irgendeinen Namen aus der Zeitung behalten hat und den bekommt der andere samt Hauptsatz serviert. Man selber sonnt sich im Glanz kleiner Kennerschaft und der andere muss retournieren. Er retourniert zum Beispiel sehr gerne mit dem ewigen Kino-Satz „Stimmt, da wollt’ ich auch noch rein.“ Oder aber mit dem vagen Klassiker: „Das hab ich irgendwie schon mal gehört, der Name sagt mir auf jeden Fall was.“ So wiegen wir uns in einem nahezu inhaltslosen Gespräch, in dem es nur darum geht, rechtzeitig wieder einen Regisseurnamen oder einen Plattentitel einzustreuen, um dann nach Hühnerart ein bisschen daran herumzupicken, bis uns wieder was einfällt, was auch noch ziemlich gut sein soll. So vergeht die Nacht und am nächsten Tag darf ich erzählen, dass ich wieder aus war und zwar so richtig mit allem was dazugehört, mit Stehen, Reden und Dunkel.

Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl

  • teilen
  • schließen